Westerwelle lässt schlichten Mölleman legt nach
28.05.2002, 08:09 UhrIm Streit zwischen dem Zentralrat der Juden in Deutschland und der FDP will Parteichef Guido Westerwelle nun einen israelischen Vermittler einschalten. Ein FDP-Sprecher bestätigte, Westerwelle habe dies während seines Israel-Besuches angekündigt. FDP-Vize Jürgen Möllemann, der den Streit ausgelöst hatte, bekräftigte erneut seine Kritik am Stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats, Michel Friedman.
In der Zeitschrift "Bunte" sagte Möllemann über Friedman, dieser "weckt mit seinem Anspruch, tatsächliche Kritik an der Regierung Scharon in Deutschland zu verbieten, den Zorn und den Unmut vieler Menschen".
"Tankwart Möllemann"
Friedman wiederum wiederholte seine Vorwürfe an die Adresse der FDP. Im "Hamburger Abendblatt" erklärte er, in allen Ländern Europas gebe es ein Potenzial von 15 bis 25 Prozent antisemitischer und rassistischer Wähler. Bisher seien sie geparkt gewesen, auch in Deutschland. "Nun haben diese Wähler eine Tankstelle in der Mitte und nicht mehr an den extremistischen Rändern gefunden: Die Tankstelle heißt FDP, der Tankwart ist Jürgen Möllemann und der Geschäftsführer heißt Guido Westerwelle, der dies zuläßt", erklärte Friedman.
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, derzeit keine Basis für ein Gespräch mit der FDP-Spitze. Zunächst müsse Möllemann seine Äußerungen relativieren, zurücknehmen oder sich entschuldigen, sagte Spiegel dem Südwestrundfunk. Außerdem erwarte er eine klare Absage der FDP-Spitze an die Aussagen Möllemanns.
"Klamottenkiste des Antisemitismus"
Möllemans umstrittene Äußerung Friedman verstärke mit seiner Argumentation antisemitische Ressentiments bedient nach Ansicht des Berliner Antisemitismus-Experten Johannes Heil ein uraltes Klischee: "Dass die Juden selbst am Antisemitismus schuld seien". Dieses Muster komme direkt aus der "Klamottenkiste des Antisemitismus" im 19. Jahrhundert.
Dennoch sei Möllemann im klassischen Sinne kein Antisemit, so Heil im Gespräch mit n-tv.de. "Wir haben heute zwar keinen Antisemitismus mehr, aber es wird zunehmend mit 'Antisemitismen' operiert." Und dafür sei Möllemann "ein gutes Beispiel".
"Haider soll sich zum Teufel scheren"
Mölleman distanzierte sich derweil aber auch von dem ehemaligen Vorsitzenden der rechtspopulistischen FPÖ, Jörg Haider: "Das ist ein Rattenfänger, der soll sich zum Teufel scheren."
In einem Beitrag für das "Neue Deutschland" hatte das noch etwas anders geklungen. Dort hatte Möllemann über die jüngsten Wahlerfolge von Rechtspopulisten in Europa geschrieben: "Der gemeinsame Nenner der Europa-weiten Wahlergebnisse ist weder ein Rechtstrend noch ein Linkstrend, sondern die Emanzipation der Demokraten." Diese Entwicklung habe in Österreich mit Haider begonnen.
Gratulation von Haider
Haider gratulierte Möllemann zu seinen Aussagen. Er finde es "beachtlich, wenn ein langjähriger Funktionär der FDP, die zu den zähesten Verteidigern des Systems gehört hat, ... nunmehr erkennt, dass die Emanzipation der Demokraten notwendig ist ", sagte er dem "Tagesspiegel".
Ausgeklügelte Wahlkampfstrategie?
Der Antisemitismus-Streit könnte eine "ausgeklügelte, ganz rational durchkalkulierte Wahlkampfstrategie" sein, sagte der Parteienforscher Peter Lösche der Zeitung "Die Welt". Die FDP sei attraktiv für das "nicht festgelegte, rechtspopulistische Wählerpotenzial".
Westerwelle im Nahen Osten
Am Montag hatte sich FDP-Chef Westerwelle in Israel scharfe Kritik anhören müssen. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon sagte, während Westerwelle neben ihm saß: "Wir sind natürlich durch anti-semitische Ausdrücke und gegen die jüdische Gemeinde in Deutschland gerichtete Äußerungen beunruhigt." Heute traf Westerwelle zu Gesprächen mit dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zusammen.
Quelle: ntv.de