FDP will Tacheles reden Möllemann-Sondersitzung
29.05.2002, 09:36 UhrFDP-Chef Guido Westerwelle ist bemüht, den Antisemitismus-Streit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland zu beenden. Für Freitag hat er den Partei-Vorstand zu einer Sondersitzung einberufen, um die Position der FDP klarzustellen. Westerwelles Vize Jürgen Möllemann, der den Streit durch seine Kritik am Vize-Zentralratspräsidenten Michel Friedman ausgelöst hatte, lehnte eine Sondersitzung des Vorstands bislang ab.
Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, erklärte unterdessen, Möllemanns Relativierung seiner Angriffe gegen Friedman reichten nicht aus. "Wir erwarten nach wie vor eine persönliche Entschuldigung von ihm bei Friedman und mir" sagte Spiegel. Unabdingbar sei darüber hinaus der Ausschluss von Jarmal Karsli aus der NRW-FDP-Fraktion.
"Kritik an Israel kein Antisemitismus"
Möllemann seinerseits forderte den Zentralrat auf, die Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn zurückzunehmen. Friedman sollte "diesen Vorwurf jetzt aus der Welt schaffen", schrieb Möllemann an Zentralrats-Präsident Paul Spiegel. Möllemann verwies auf seine Äußerungen in einem Interview im WDR.
Der FDP-Politiker hatte dabei am Dienstag erstmals eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben. "Ich hätte das so nicht sagen sollen und das Ganze besser bedenken müssen", sagte er. Möllemann hatte Friedmans Auftreten für ein Erstarken des Antisemitismus mitverantwortlich gemacht.
Ihm liege aber an der Feststellung, "dass ich mich weiterhin mit allem Nachdruck dagegen wehren werde, wegen meiner unverändert Sharon-kritischen Haltung als Antisemit bezeichnet zu werden", so Möllemann.
Möllemann und Genscher dementieren
Einen Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach der FDP-Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher ihn zusammengestaucht und angebrüllt haben soll, dementierten sowohl Möllemann als auch Genscher. "Bild" hatte unter Berufung auf einen Genscher-Vertrauten berichtet, der Ex-Außenminister habe Möllemann "regelrecht zusammengefaltet, ihn angebrüllt: 'Es reicht, Jürgen!' ".
Der "Verbal-Bulldozer"
Der Publizist und Schriftsteller Ralph Giordano sieht in Möllemanns Einlenken lediglich ein erzwungenes Lippenbekenntnis. Im F.A.Z Business-Radio nannte er Möllemann einen "Verbal-Bulldozer" - so hart, unnachgiebig und unbelehrbar, wie er immer gewesen sei. Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hält das "leichte Abrücken " Möllemanns für nicht ausreichend. Das sei keine Distanzierung, sondern "ein Versuch, das unter den Tisch zu kehren", sagte Roth in Berlin. Möllemann habe die politische Kultur beschädigt.
Mit einer ganzseitigen Anzeige in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung " protestiert eine "spontan zusammengetretene " Bürgerinitiative "gegen den Stimmenfang der Liberalen im braunen Sumpf". Zu den Unterzeichnern, nach eigenen Angaben "besorgte Bürger " oder "traditionelle FDP-Freunde ", gehören die Schauspielerin Gudrun Landgrebe, TV-Moderatin und Friedmans Lebensgefährtin Bärbel Schäfer, Konzertveranstalter Marek Lieberberg sowie der ehemalige hessische Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD).
Quelle: ntv.de