Mindestlohn für Postler Müntefering und Glos im Clinch
06.10.2007, 17:07 UhrVizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) davor gewarnt, den vereinbarten Mindestlohn für Briefträger zu unterlaufen. "Ich erwarte, dass sich alle daran halten und nicht versuchen, indirekt unseren gemeinsamen Willen zu umkurven", sagte der Arbeitsminister dem "Spiegel". Glos solle nicht versuchen, die Tarifpartner zu beeinflussen - sonst werde darüber zu reden sein.
Unterdessen warnte das Bundeswirtschaftsministerium, von der neuen Mindestlohn-Regelung seien weit mehr Post-Arbeitnehmer betroffen als bislang bekannt.
Bei dem Streit zwischen Arbeits- und Wirtschaftsminister geht es im Kern um Münteferings Vorhaben, den zwischen dem Post-dominierten Arbeitgeberverband Postdienst und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vereinbarten Mindestlohn für allgemeinverbindlich erklären zu lassen. Dieser liegt zwischen 8,00 und 9,80 Euro. An den Verhandlungen waren allerdings Konkurrenten wie TNT und PIN nicht beteiligt, die von einem eigenen Verband vertreten werden und eine Lohnuntergrenze von höchstens 6,00 bis 7,50 Euro für vertretbar halten.
Weit mehr Postler betroffen
Unter Berufung auf das Wirtschaftsministerium berichtete der "Spiegel", die Zahl der Post-Arbeitnehmer, auf die die neue Mindestlohn-Regelung angewendet werden müsse, liege weit höher als bislang bekannt. So gelte die Regelung nach einer Analyse des Ministeriums nicht nur für Briefträger, sondern auch für Arbeitskräfte, die Briefe einsammelten oder weiterbeförderten. Einbezogen wären damit auch 20.000 Angestellte von Postagenturen, die in Supermärkten, Schreibwarengeschäften oder Bäckereien Briefe entgegennähmen. Ein Ministeriumssprecher gab zu dem Bericht keine Stellungnahme ab.
Aus einem Bericht des zuständigen Agenturverbandes zitierte der "Spiegel", es sei fraglich, wie Postagenturen ihren Angestellten einen Mindestlohn von 9,80 zahlen sollten. Schließlich erhielten die Betreiber von der Post lediglich eine Stundenvergütung von drei Euro.
Arbeitgeberverband droht mit juristischen Schritten
Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Neue Brief- und Zustelldienste, Florian Gerster, drohte juristische Schritte an. Sollten Löhne bis zu 9,80 Euro pro Stunde für allgemeinverbindlich erklärt werden, "dann wird die politische Frage zu einer rechtlichen - im nationalen und im europäischen Rahmen", sagte Gerster der "Wirtschaftswoche". Sein Verband vertraue auf die Vernunft des Gesetzgebers, behalte sich aber rechtliche Schritte vor. Man habe außerdem Kontakt zur EU-Kommission, die sehr genau beobachte, wie in Deutschland entschieden werde.
Arbeitsplätze in Gefahr
Die PIN Group AG, einer der größten privaten Briefzusteller in Deutschland, sieht in der Höhe des geplanten verbindlichen Mindestlohnes in dieser Branche rund 50.000 Arbeitsplätze akut in Gefahr. Mit dem Mindestlohn werde das Postmonopol "durch die Hintertür zementiert", sagte Vorstandsmitglied Karsten Böhrs der "Thüringer Allgemeinen". Wer Stundenlöhne von 9,00 Euro als Mindestlohn für die gesamte Branche vorschreibe, schalte unliebsame Konkurrenz aus, sagte der Vorstand. Deswegen seien allein in der Briefzustellbranche 50.000 Arbeitsplätze gefährdet. Die Deutsche Post habe außerdem Vorteile, weil sie im Gegensatz zu privaten Anbietern von der Mehrwertsteuer befreit sei.
Quelle: ntv.de