Politik

Krieg gegen Gaddafi NATO darf die USA ablösen

Am Stützpunkt Sigonella sieht ein Carabinieri zu, wie ein Hubschrauber mit US-General Carter Ham an Bord abhebt.

Am Stützpunkt Sigonella sieht ein Carabinieri zu, wie ein Hubschrauber mit US-General Carter Ham an Bord abhebt.

(Foto: AP)

Die Türkei und Frankreich geben ihre Blockade auf: Ab Montag oder Dienstag wird die NATO die USA bei der Leitung der Luftangriffe gegen das Gaddafi-Regime ablösen. In der seit Tagen umkämpften Stadt Misrata gibt es laut CNN mehr als 100 Tote. In den USA kritisieren die Republikaner Präsident Obama wegen der Kosten des Einsatzes.

Nach tagelangen Diskussionen haben sich die Mitgliedstaaten der NATO darauf geeinigt, dass das Militärbündnis das Kommando über den internationalen Libyen-Einsatz übernimmt. Dies solle "so schnell wie möglich" geschehen, teilte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu nach einem Telefonat mit seinen Kollegen aus den USA, Frankreich und Großbritannien mit.

Ein NATO-Diplomat in Brüssel bestätigte die Angaben und sagte, das Kommando solle am "Montag oder Dienstag" auf die Militärallianz übergehen. Die Luftangriffe des Bündnisses um Frankreich, Großbritannien und den USA wurden bisher von den USA koordiniert.

Die NATO diskutiert seit Tagen über die Rolle, die sie bei der Durchsetzung der UN-Resolution 1973 zu Libyen einnehmen soll. Washington will das Kommando des Einsatzes in den kommenden Tagen abgeben. Mehrere NATO-Länder wollten die Führung dem Bündnis übergeben.

Besonders die Türkei hatte Vorbehalte gegen die Bombardierungen durch die bisherige Koalition geltend gemacht und einen Kommandowechsel zur NATO gefordert. Aber auch Frankreich hatte dies zunächst mit dem Verweis verhindert, dass dies einige arabische Länder verstimmen könnte. Berichten zufolge stand hinter der Blockade tatsächlich jedoch die Furcht, beim Libyen-Krieg an Einfluss und Prestige zu verlieren.

Mehr als 100 Tote in Misrata

Bei den Kämpfen um die libysche Hafenstadt Misrata sind nach einem Bericht des US-Senders CNN mehr als 100 Menschen getötet worden. 1300 weitere Menschen seien verletzt worden, berichtete CNN. Der Sender berief sich dabei auf einen Arzt.

Aufständische an der Straße zwischen Adschdabija und Bengasi.

Aufständische an der Straße zwischen Adschdabija und Bengasi.

(Foto: dpa)

Am Donnerstag hatte es wieder schwere Kämpfe in Misurata gegeben. Einheiten des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi feuerten aus Panzern auf das Viertel um das Zentralkrankenhaus. Die internationalen Luftschläge der vergangenen Tage hätten die Panzer-Einheiten Gaddafis nicht ausreichend geschwächt, hieß es.

Die Rebellen machten dagegen nach eigenen Angaben an der Front bei Adschdabija Boden gut. Sie kontrollierten den südlichen Zugang zur Stadt, wie die libysche Oppositions-Webseite "Libya al-Youm" berichtete. Die Kampfjets aus Frankreich, Großbritannien und den USA weiteten ihre Einsatzzone nach Süden aus.

Zivilisten durch Luftangriffe getötet?

Nach Angaben der Regierung in Tripolis sind bislang etwa hundert Zivilisten durch die Luftangriffe der westlichen Koalition ums Leben gekommen. Regierungssprecher Mussa Ibrahim sagte, er könne nicht den aktuellen Stand nennen, aber es seien rund hundert Tote eingeliefert worden. Es handele sich um Zivilisten.

Beisetzung angeblicher Opfer der alliierten Luftangriffe in Tripolis.

Beisetzung angeblicher Opfer der alliierten Luftangriffe in Tripolis.

(Foto: AP)

Der Chef des US-Afrikakommandos Carter Ham räumte ein, die Koalition könne "nicht sicher" sein, dass es keine zivilen Opfer gegeben habe. Sie versuche aber "sehr präzise" vorzugehen, sagte Ham auf der sizilianischen Luftwaffenbasis Sigonella. In zahlreichen Fällen hätten Piloten "aus Sorge um zivile Opfer die richtige Entscheidung getroffen, ein legitimes militärisches Ziel nicht anzugreifen".

Zuvor hatte der französische Außenminister Alain Juppé Berichten widersprochen, wonach durch die Luftangriffe auch Zivilisten getötet worden seien. Es sei "genau das Gegenteil" der Fall, sagte Juppé dem Radiosender RTL. "Wir zielen auf militärische Mittel und nichts anderes."

USA kündigen passive Rolle an

Nach der geplanten Abgabe ihrer Führung wollen sich die USA nicht mehr direkt an der Durchsetzung der Flugverbotszone beteiligen. Sie wollten nur noch "Unterstützung und Hilfe" leisten, etwa in Form von Aktionen zur Störung des libyschen Radars, beschrieb der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, die künftige Rolle beim Libyen-Einsatz.

Carney bekräftigte, dass die USA die Führung im Laufe von "Tagen" abgeben wollten. Er äußerte sich optimistisch, dass dies "relativ schnell" geschehen werde. Der Libyen-Einsatz sei "zeitbegrenzt", das heißt, es gebe kein "offenes Ende", betonte der Sprecher weiter.

Vorwürfe der Republikaner, dass Präsident Barack Obama den Kongress nicht ausreichend informiert habe, wies Carney zurück. Obama habe das getan, und zwar "substanziell".

Frankreich kritisiert Deutschland

Der französische Außenminister äußerte derweil Unverständnis über die Haltung Deutschlands in der Libyen-Frage. "Manche EU-Partner halten die EU offenbar für eine humanitäre Hilfsorganisation", sagte Juppé. Frankreich wolle hingegen, dass die EU eine politische Kraft sei, die auch militärisch eingreifen könne. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass nicht immer dieselben Länder vorangehen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte vor dem Bundestag erneut die deutsche Enthaltung bei der Libyen-Resolution des UN-Sicherheitsrats. Deutschland laut Merkel ist zur Hilfe für Flüchtlinge aus Libyen bereit. Allein nach Tunesien sind laut Unicef bereits 170.000 Menschen geflohen.

Quelle: ntv.de, hvo/rts/AFP/dpa

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