Politik

Südafghanistan-Anfrage NATO erhöht den Druck

Ungeachtet massiver deutscher Widerstände verlangt nach den USA jetzt auch die NATO eine Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer machte sich für zusätzliche Einsatzgebiete stark.

"Deutschland leistet als Führungsnation im Norden vorbildliche Arbeit. Aus meiner Sicht könnte die Internationale Schutztruppe natürlich auch anderswo in Afghanistan mehr davon gebrauchen", sagte er der "Bild am Sonntag". Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wies jedoch Forderungen nach einem verstärkten Engagement der Bundeswehr im umkämpften Süden Afghanistans zurück.

Jung pariert Interview-Offensive

"Es wäre ein großer Fehler, den Norden, der halb so groß ist wie Deutschland, zu vernachlässigen, dort Truppen abzuziehen oder etwa durch verschiedene Regionen rotieren zu lassen", sagte Jung der Zeitung "Welt am Sonntag". Parteiübergreifend war eine entsprechende US-Forderung tags zuvor in Deutschland auf Empörung und Ablehnung gestoßen. Auch der Tonfall des Briefes von US-Verteidigungsminister Robert Gates wurde kritisiert.

US-Generalstabschef Michael Mullen betonte jedoch die Notwendigkeit zusätzlicher Afghanistan-Truppen aus amerikanischer Sicht: "Wir brauchen die Unterstützung anderer Länder, das schließt Deutschland ein", sagte er am Freitag in Washington. Mullen wollte die Absage aus Berlin aber nicht eingehend kommentieren. Das müsse auf Ebene der Verteidigungsminister besprochen werden, sagte er.

Einsatz steht nicht zur Diskussion

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und führende Regierungspolitiker hatten am Freitag eine Bitte der USA strikt zurückgewiesen, Soldaten für Kampfeinsätze im gefährlichen Süden Afghanistans zur Verfügung zu stellen. Merkel habe wiederholt deutlich gemacht, dass das geltende Bundestagsmandat für den Einsatz der Soldaten "nicht zur Diskussion steht", erklärte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm in Berlin.

Die FDP-Verteidigungsexpertin Birgit Homburger lehnte am Samstag auch die NATO-Forderung ab. In einer Mitteilung sagte sie über de Hoop Scheffer, dieser "wäre gut beraten, nicht länger den Eindruck zu verstärken, er agiere als Sprecher der US-Administration". Homburger: "Die Entsendung von immer mehr NATO-Soldaten allein wird mit Sicherheit nicht den Erfolg in Afghanistan bringen."

Europa in der Defensive

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz am kommenden Wochenende wird es nach Einschätzung des Veranstalters Horst Teltschik heftige Diskussionen über die Afghanistan-Politik geben. Die Europäer seien nach der Bitte von US-Verteidigungsminister Gates um eine Aufstockung der NATO-Truppenkontingente "in der Defensive", sagte Teltschik der Deutschen Presse-Agentur.

Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler (SPD), sagte am Samstag im Deutschlandradio, der Ton des Schreibens von US- Verteidigungsminister Robert Gates sei "schroff" und verkenne, dass Deutschland schon jetzt "an der Spitze liegt mit dem Engagement in Afghanistan". Von einem ungefährlichen "Pfadfindereinsatz" - wie es Deutschland von den USA oft vorgeworfen werde - könne nicht die Rede sein. Erler sagte, dass die USA mit ihrer Forderung, Bundeswehr- Truppen aus ihrem bisherigen Einsatzgebiet in den Süden zu verlegen und in den Norden ein anderes NATO-Mitglied zu schicken, "gewachsene Strukturen" zerstören würden. "Was macht das für einen Sinn? Wir haben dort im Norden Vertrauen schaffen können. Wir haben dort ein zivilmilitärisches Gesamtkonzept, das von vielen auch als Modell für einen Erfolg in ganz Afghanistan angesehen wird."

Die NATO sollte sich nach Ansicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wieder stärker um Abrüstungsfragen kümmern. "Die NATO braucht eine Rückbesinnung auf ihre Grundaufgaben", dazu gehöre außer dem Beistand und der militärischen Verteidigungsfähigkeit auch das Bemühen um Abrüstung, sagte Steinmeier dem "Handelsblatt". "Sicherheit schafft man nicht nur durch Waffen, sondern auch durch den Aufbau von Vertrauen."

Quelle: ntv.de

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