Nur noch raus aus Afghanistan NATO klopft Abzugspläne fest
06.10.2011, 20:52 Uhr
Nach zehn Jahren Kampf in Afghanistan ist der Blick nur noch auf den Rückweg gerichtet.
(Foto: REUTERS)
Der Krieg in Afghanistan ist auch zehn Jahre nach dem Beginn der Operation Enduring Freedom am 7. Oktober noch nicht zu einem erfolgreichen Ende geschlagen. Noch immer stellen die radikalislamischen Taliban eine schwere Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität im Land dar. Trotzdem hat die NATO auf ihrem Treffen der 28 Mitgliedstaaten in Brüssel die Weichen auf Abzug gestellt. Gleichzeitig machten die Verteidigungsminister deutlich, dass sie das Land auch langfristig nicht allein lassen wollen. Auch nach dem Ende des Kampfeinsatzes 2014 werde der Westen etwa durch Ausbildungshilfe präsent bleiben.
"Es ist klar, dass hier niemand überstürzt das Weite sucht", versuchte US-Verteidigungsminister Leon Panetta aufkommende Zweifel am Durchhaltevermögen der Kriegsallianz zu zerstreuen. Sein deutscher Kollege Thomas de Maizière warnte ebenfalls vor "überspannten Ankündigungen" zum Truppenabzug. "Wir brauchen strategische Geduld, und deshalb müssen wir den Versuchungen eines zu schnellen und vor allem eines unkoordinierten Abzuges widerstehen."
Rasmussen bewertet Sicherheitslage positiv
Trotz dieser Versicherungen bleibt von dem Treffen in Brüssel vor allem der Eindruck, im NATO-Hauptquartier gehe es nur noch um den schnellsten Weg raus aus Afghanistan. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen etwa dozierte, die Allianz liege angesichts einer verbesserten Sicherheitslage bei ihrem angestrebten Truppenabzug im Plan. Blutige Anschläge spiegelten nicht die tatsächliche Sicherheitslage in dem Land wider. Auch wenn die Taliban noch immer einige Regionen kontrollierten, habe sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert.
In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, die "gemeinsamen Errungenschaften aus den Jahren 2010/2011" machten einen schrittweisen Abzug möglich. Dabei müsse allerdings die Sicherheitslage berücksichtigt werden.
Die USA konkretisierten in Brüssel ihre Pläne für die Verringerung ihrer 100.000 Soldaten starken Truppe um zehn Prozent noch in diesem Jahr. Befürchtungen Deutschlands, die Handlungsfähigkeit der Bundeswehr im Norden des Landes könnten dadurch beeinträchtigt werden, bestätigten sich zumindest laut Verteidigungsminister de Maizière nicht. Die Amerikaner würden zunächst keine "Schlüsselfähigkeiten" aus dem deutschen Zuständigkeitsgebiet abziehen, sagte der CDU-Politiker. US-Spezialkräfte, Hubschrauber zur Bergung von Verletzten und Roboter zur Entschärfung von Sprengsätzen stünden weiterhin zur Verfügung.
Demonstration in Kabul
In Kabul demonstrierten 300 Menschen für einen sofortigen Abzug der NATO-Truppen. Auf Plakaten und in Sprechchören machten sie die Schutztruppe ISAF für die Tötung von Zivilisten verantwortlich. Dem afghanischen Präsident Hamid Karsai warfen sie vor, Erfüllungsgehilfe der USA zu sein.
Die Demonstranten riefen bei einem Marsch durch das Zentrum immer wieder "Tod für Amerika und seine afghanischen Marionetten". Anschließend verbrannten sie eine US-Flagge.
Truppenabzug bis Ende 2014
Nach einem NATO-Beschluss sollen die afghanischen Sicherheitskräfte bis Ende 2014 im ganzen Land die Verantwortung für die Sicherheit übernehmen. Spätestens dann sollen alle Nato-Kampftruppen abgezogen sein. Derzeit sind rund 140.000 ausländische Soldaten am Hindukusch stationiert.
Die USA hatten bereits im Sommer das Startsignal für den Abzug aus Afghanistan gegeben. Noch vor Ende 2011 sollen 10.000 und bis September nächsten Jahres weitere 23.000 Soldaten nach Hause zurückkehern. Von den im Norden stationierten mehr als 5000 US-Soldaten sollen 900 abgezogen werden. Wie stark das deutsche Kontingent in einem ersten Schritt verkleinert wird, soll im Dezember oder Januar vom Bundestag entschieden werden. Derzeit sind rund 5000 Bundeswehrsoldaten am Hindukusch stationiert.
Quelle: ntv.de, cba/AFP/dpa