Leichen "wie Säcke ins Meer geworfen" NATO soll Hilfe verweigert haben
05.08.2011, 12:19 Uhr
Dutzende Flüchtlinge bezahlen die Überfahrt mit ihrem Leben.
(Foto: AP)
Die NATO gerät wegen eines Vorfalls im Mittelmeer in die Kritik. Nach Medienberichten soll sie einem Flüchtlingsboot die Hilfe trotz einer Anfrage aus Italien verweigert haben. Auf dem Schiff mit Hunderten Flüchtlingen an Bord spielten sich dramatische Szenen ab. 100 Leichen mussten laut Augenzeugen ins Meer geworfen werden, 300 Überlebende sind gerettet.
Ein Flüchtlingsdrama mit Dutzenden Toten im Mittelmeer bringt die NATO in Erklärungsnot: Medienberichten zufolge griff ein Schiff des Militärbündnisses trotz einer Bitte der italienischen Behörden nicht ein, um einem Boot mit hunderten Flüchtlingen an Bord zu helfen. Das römische Außenministerium hat von der Nato eine Erklärung zu dem Vorfall verlangt.
Überlebende des vor der libyschen Küste havarierten Bootes berichten von dem grauenvollen Tod von Frauen und Kindern, die auf See an Hunger, Durst und Entkräftung gestorben seien. Die Männer an Bord seien gezwungen gewesen, "die Leichen, 100 an der Zahl, während der Fahrt über Bord zu werfen", sagte einer der Geretteten italienischen Beamten auf die Insel Lampedusa.
300 Überlebende
"Wie Säcke ins Meer geworfen, gestorben an Hunger und Durst und von der Sonne verzehrt", beschreibt die Turiner Tageszeitung "La Stampa" das Los der afrikanischen Flüchtlinge auf dem Schiff. Die italienische Küstenwache hat mehr als 300 Überlebende des Unglücksbootes aus den libyschen Gewässern zur nahe gelegenen Insel Lampedusa gebracht. Viele von ihnen sollen medizinische Behandlung benötigen. Tagelang hätten sie vergebens auf Hilfe gehofft.
Die Küstenwache erreichte das Flüchtlingsboot etwa 90 Seemeilen (knapp 170 Kilometer) von Lampedusa entfernt auf See. Mit vier Schiffen wurden die Überlebenden dann in Sicherheit gebracht. Über die aussichtslose Lage des manövrierunfähigen Bootes hatte ein zyprischer Schlepper als erstes ein SOS-Signal gegeben. Das Boot war am vergangenen Freitag östlich von Tripolis aufgebrochen, um den anhaltenden Wirren in dem Bürgerkriegsland entkommen zu können.
Drama nimmt kein Ende
Erst am vergangenen Montag hatten die Italiener unter Deck eines in Lampedusa angekommenen Bootes aus Libyen 25 Leichen junger Männer gefunden, die dort erstickt waren. Gegen sechs Schleuser wird in der Sache ermittelt. Auf der verzweifelten Überfahrt mit oftmals kaum seetauglichen Booten von nordafrikanischen Küsten nach Europa kommt es immer wieder zu Flüchtlingsdramen.
Im Mai sollen Hunderte von Menschen nach dem Schiffbruch ihres Bootes vor der Küste von Tripolis nicht mehr das Land erreicht haben. Anfang Juni kamen den Berichten zufolge 270 Migranten eines mit 700 Menschen überfüllten Bootes aus Libyen im Mittelmeer um. Seit Beginn des NATO-Einsatzes gegen das Regime von Diktator Muammar al-Gaddafi erreichten mehr als 20.000 Flüchtlinge von dort Italien, die meisten von ihnen über Lampedusa.
Quelle: ntv.de, dpa