Politik

Vermögende appellieren an die Politik "Nein, wir zahlen nicht genug!"

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Während Dagobert Duck sein Vermögen hortet, wollen einige Millionäre ihren Reichtum freiwillig teilen.

Ein paar Dutzend Millionäre fordern schon seit Jahren in einem Appell eine Vermögensabgabe und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Einer von ihnen ist Günter Grzega, ehemaliger Vorstandschef der Sparda-Bank München und Millionär. Dass höhere Steuern trotz Euro-Krise nicht auf der politischen Tagesordnung in Berlin stehen, hält er für gefährlich: "Wenn die Einkommens- und Vermögensverteilung weiter so bestehen bleibt, wird am Ende unsere Gesellschaftsordnung zerstört", sagt der Betriebswirt im Gespräch mit n-tv.de. Aber Grzega zeigt sich auch optimistisch, dass die Wiedereinführung der Vermögenssteuer auch unter der derzeitigen Regierung machbar ist.

n-tv.de: Seit mehreren Jahren fordert die "Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe" von der Bundesregierung die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Sonderabgabe für Millionäre. Zahlen Sie nicht genug Steuern oder warum wollen Sie freiwillig mehr zahlen?

Günter Grzega: Wenn wir als Vermögende genug Steuern zahlen würden, wäre die Frage überflüssig. Also, wenn man sachlich und objektiv die Entwicklung der Vermögen und Einnahmen des Privatsektors und des Staates und die Entwicklung der sogenannten "Staatsquote" betrachtet – nein, dann zahlen wir nicht genug. Bezieht man die Steuersenkungen für uns Vermögenden in den letzten Jahren mit ein (Senkung des Spitzensteuersatzes von 56 Prozent auf 42 bzw. 45 Prozent, komplette Abschaffung der Vermögenssteuer; Anm.d.Red.) und sieht das damit erreichte Ergebnis, dann muss man höhere Gemeinwohlabgaben (Steuern, Anm.d.Red.) fordern. Übrigens - schauen Sie sich doch einmal unsere "Reichtumsuhr" an, die Staatsschulden und Privatvermögen nebeneinander stellt (www.appell-vermoegensabgabe.de) Sie werden staunen, mit welcher Geschwindigkeit sich die Vermögen im Vergleich zu den Schulden nach oben bewegen!

Sie alle sind, wie Sie in einem Appell schreiben, durch Erbschaft, Arbeit, erfolgreiches Unternehmertum, oder Kapitalanlage zu ihrem Reichtum gelangt und finden es gerecht, diesen Reichtum zu teilen. Purer Idealismus?

In Ihrer Auflistung fehlt noch der Hinweis, dass wir nie allein den Reichtum geschaffen haben, sondern immer viele andere Menschen daran beteiligt waren, diesen Reichtum für uns zu erarbeiten. Darum finden wir es gerecht, diesen Reichtum zu teilen. Übrigens verpflichtet uns ja bereits das Grundgesetz im Artikel 14 ("Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen", Anm.d.Red.) zu diesem, wie Sie es ausdrücken, "Idealismus". Natürlich ist dies nicht purer Idealismus. Ein gesunder Mensch hat einen ausgeglichenen Charakter zwischen Altruismus und Egoismus. Der Altruismus lässt uns an das Gemeinwohl denken und der Egoismus sagt uns, das richtige Maß zu finden. Dieser Egoismus sagt uns auch, dass wir bei einem "weiter so" mit der Einkommens- und Vermögensverteilung am Ende unsere Gesellschaftsordnung zerstören. Das trifft uns Vermögende dann sicherlich mehr als die Vermögenslosen.

Ab wann ist man Ihrer Meinung nach reich?

Grundsätzlich ist diese Meinung für jeden Menschen individuell. Da wir aber bei neuen Steuergesetzen mit Zahlen arbeiten müssen, betrachtet unsere Initiative eine einzelne Person als vermögend, wenn nach Abzug aller Verbindlichkeiten ein Vermögen von 500.000 Euro pro Person zur Verfügung steht. Selbstverständlich muss der Gesetzgeber - ähnlich wie bei der aktuell gültigen Erbschaftssteuer – selbst genutzte Immobilien, private Altersvorsorge als Unternehmer etc. berücksichtigen. Fangen wir doch einfach an, die unbedingte Notwendigkeit einer Vermögensabgabe und von Vermögenssteuern sowie die Anpassung der Einkommenssteuersätze für hohe Einkommen anzuerkennen. Dann können wir über solche Fragen der Ausnahmen etc. diskutieren.

Ihre Initiative wurde im Jahre 2009 gegründet – mittlerweile zählt sie 61 Mitglieder. Vor dem Hintergrund von maroden Staatsschulden und der Euro-Krise – hoffen Sie auf zusätzliche Unterstützer?

Ja, wir sind sicher, zusätzliche Unterstützer zu bekommen, da es keinen sinnvolleren Ausweg aus der Schuldenkrise, die ja gleichzeitig eine Vermögenskrise ist, gibt. Immer mehr Vermögende werden die Gefahren für ihr eigenes Gesamtvermögen bei einem "weiter so" erkennen und aus egoistischen Überlegungen Unterstützer unserer Forderungen werden. Unser Hauptziel ist allerdings die Erzeugung von gesellschaftlichem Druck auf die Regierung, damit diese alle Bürger entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit besteuert, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt.

Was fordern Sie konkret, und zwar von sich und von der Regierung?

Der Appell für eine Vermögensabgabe fordert eine einmalige Vermögensabgabe von 10 Prozent, aufgeteilt auf 2 Jahre, und anschließend eine jährliche Vermögenssteuer von 1 Prozent jeweils ab 500.000 Euro, um notwendige und nachhaltige Investitionen zu ermöglichen, besonders für den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, für mehr Personal für Bildungs-, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen und die Erhöhung von Transfereinkommen.

Inwiefern ist Frankreich, wo Präsident Hollande die Steuern erhöht und vor allem Reiche zur Kasse bittet, ein Vorbild?

Da unsere Initiative seit 2009 besteht, kann man eher sagen, dass wir mit unseren Forderungen für Frankreich und Hollande Vorbild sind. Aber ernsthaft ausgedrückt: Natürlich stellt Präsident Hollande die richtigen Fragen und selbstverständlich sind seine ersten Maßnahmen - abgesehen davon, welche Steuersätze der jeweils richtige Ansatz in jedem Land ist - ein Weg in die richtige Richtung. Hollandes Maßnahmen stellen auf alle Fälle die Diskussionen der Verteilungsfrage von Einkommen und Vermögen auf eine breite europäische Basis.

Wie viel käme mit einer solchen Vermögensabgabe nach Ihren Berechnungen zusammen?

Eine einmalige 10-prozentige Vermögensabgabe würde etwa 150 Milliarden erbringen, eine jährliche Vermögenssteuer ca. 15 bis 20 Milliarden, abhängig von der konkreten Ausgestaltung.

Schwarz-Gelb wehrt sich vehement gegen eine Reichensteuer. Trotzdem rechnet Herr Vollmer mit einer baldigen Einführung. Warum sind Sie so optimistisch?

Schon der Ausdruck "Reichensteuer" ist ein Indiz, dass immer noch nicht verstanden wird, dass es um Steuergerechtigkeit in einer gemeinwohlorientierten sozialen Marktwirtschaft geht. Offensichtlich soll dieser Ausdruck zu einem Gefühl der Diskriminierung von "Reichen" und damit Ungerechtigkeitsgefühl führen. Aber grundsätzlich zu Ihrer Frage der baldigen Einführung: Ja, wir sind optimistisch, weil schon seit Langem klar ist und nun immer mehr in den nächsten Wochen und Monaten deutlich erkennbar wird, dass die Schuldenkrise nicht durch Kürzungen von Staatshaushalten gelöst werden kann, sondern nur über die Einnahmen- und Verteilungsfrage, was natürlich keineswegs einen sinnvollen Einsatz der Mittel der Staatshaushalte ausschließt. Darüber ist in jeder Legislaturperiode zu streiten und zu kämpfen und ggf. eine andere Regierung zu wählen. So funktioniert Demokratie. Aber ohne die notwendigen Einnahmen gibt es auch keine sinnvollen Ausgaben.

Ist dieses Vorhaben unter der derzeitigen Bundesregierung überhaupt denkbar?

Wir sind überzeugt, dass es in jeder demokratisch gewählten Regierung genügend kritischen Verstand gibt, der einen Weg auch als Irrtum erkennen lässt. Wirtschaftsminister Schäuble findet ja seit Neuem eine Vermögensabgabe eine gute Idee; erst aber mal nur für die wirtschaftlich schwachen Länder, das mag sich ja ändern! - Für uns ist nicht von Bedeutung, wer regiert, sondern ob rechtzeitig "Fehler" als solche erkannt und durch bessere Alternativen ersetzt werden. Dazu ist sicherlich die derzeitige Regierung auch in der Lage. Sie muss es nur rechtzeitig tun.

Wieso geben Sie Ihr Geld nicht in eine Stiftung oder machen einen zweckgebundenen Fonds auf?

Aus unserer Sicht können Stiftungen oder zweckgebundene Fonds nur eine Ergänzung von ausreichenden Gemeinwohlabgaben durch besonders altruistisch eingestellte Vermögende sein.

Eine Ausrichtung der Gemeinschaftsaufgaben auf freiwillige Zahlungen nach Gutdünken von uns Vermögenden wäre eine Rückkehr in einen Feudalstaat. Die Nichtvermögenden wären also letztlich auf die "milden Gaben" je nach Lust und Laune der "Spender" angewiesen. Eine absurde Idee für einen Staat des 21. Jahrhunderts.

Unsere Mitunterzeichner sind je nach ihren finanziellen Möglichkeiten sozial und gesellschaftlich engagiert. So hat zum Beispiel Peter Vollmer schon vor 20 Jahren die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt ins Leben gerufen.

Machen Sie sich mit Ihren Ideen und Forderungen nicht unbeliebt bei anderen Reichen? Wie sehen denn negative Reaktionen aus?

Wir haben - im Gegensatz zu vielleicht einigen Politikern, die ihre nächste Wahl im Auge haben - nicht die Absicht, uns "beliebt" oder "unbeliebt" zu machen. Wir haben die Absicht, mit einer als gerecht empfunden Verteilung von Einkommen und Vermögen einen gemeinwohlorientierten und sozialen Staat für eine gute Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen. Negative Reaktionen von Personen, die glauben, "schon genug zu bezahlen", gab und gibt es sicherlich immer wieder. Aber wir führen keine Register darüber, da es keinen Sinn ergibt. Diskutieren wollen wir aber selbstverständlich mit allen Beteiligten, egal, ob Befürworter oder Gegner. Entscheidend ist nur der Wille für eine offene Auseinandersetzung. Aber letztendlich zählt dann nicht die Freiwilligkeit, sondern die demokratische Mehrheitsentscheidung.

Mit Günter Grzega sprach Diana Sierpinski

Quelle: ntv.de

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