Erstmals geplanter Anschlag Neue Qualität in Afghanistan
01.05.2009, 10:47 UhrDie Bundeswehr stellt sich nach den jüngsten Anschlägen in Afghanistan auf eine neue Qualität der Angriffe der radikal-islamischen Taliban ein. Erstmals sei ein Anschlag, bei dem am Mittwoch ein deutscher Soldat getötet worden war, militärisch geplant gewesen, sagte Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan in Berlin. Ob diese neue Qualität von Dauer sei, müsse man abwarten. "Aber zum ersten Mal muss man sagen: Da steckt ein militärischer Plan dahinter."
Am Mittwoch hatten gleich zwei Anschläge auf Patrouillen nahe des Bundeswehrcamps in Kundus einen unangekündigten Besuch von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Afghanistan überschattet. Dabei waren ein Hauptgefreiter einer Jägerkompanie aus Donaueschingen getötet und neun Soldaten verletzt worden.
Bei einem Selbstmordanschlag auf eine Patrouille einer Einheit aus Bad Salzungen (Thüringen) wurden am Morgen fünf Soldaten leicht verletzt. Am Nachmittag sei dann eine andere Patrouille kurz hintereinander zweimal in einen Hinterhalt geraten: Nachdem die Soldaten den ersten Beschuss hätten stoppen und durchbrechen können, seien sie fünf Kilometer weiter in einen zweiten Hinterhalt und ein wesentlich stärkeres Feuergefecht geraten. Ein Fahrzeug sei von einer Panzerfaust getroffen worden. Bisher sei die Taliban-Strategie einfach "Hit and Run - Schießen und Wegrennen" gewesen, sagte Schneiderhan.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verurteilte die Angriffe. Er wie auch Außenminister Steinmeier sprach den Angehörigen des Hauptgefreiten ihr Beileid aus. Jung rechtfertigte den Einsatz in Afghanistan, dessen Ziel die Stabilisierung des Landes sei.
Schon 32 tote Bundeswehrsoldaten
Die Bundeswehr ist derzeit mit 3800 Soldaten am Hindukusch im Einsatz, davon 750 in Kundus. "Dieser Auftrag ist mit Risiken für Leib und Leben verbunden", aber man dürfe sich jetzt nicht zurückziehen, sagte Jung. Nach Angaben des Ministeriums sind seit Beginn des Einsatzes vor sieben Jahren 32 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.
Welche Konsequenzen aus der möglicherweise neuen Qualität der Taliban-Gewalt zu ziehen sind, ließen Jung und Schneiderhan offen. Einen Zusammenhang mit Steinmeiers Besuch wollten beide nicht sehen. Man könne aber nicht ausschließen, dass die Taliban von dem geheim vorbereiteten Besuch gewusst hätten.
Bereits vor drei Wochen hatten Taliban unmittelbar nach einem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel in Kundus das Lager mit Raketen beschossen. Damals wurde niemand verletzt. Jung erklärte, es sei wichtig, dass die Politik den Soldaten mit solchen Besuchen den Rücken stärke.
Zusammenhang ist denkbar
Auch der Bundeswehrverband hält Kanzler- und Ministerbesuche für richtig. "Erstmals ist ein Soldat in einem direkten Feuergefecht gefallen", sagte Verbandschef Ulrich Kirsch. In dieser Situation sei es für die Soldaten und ihre Familien von besonderer Bedeutung, dass Politik und Öffentlichkeit hinter ihnen stünden. Der Grünen-Afghanistan-Experte Winfried Nachtwei hält einen Zusammenhang zum Steinmeier-Besuch für denkbar. Die Taliban seien inzwischen "sehr schnell aktionsfähig".
Politikerbesuche eher störend
Bei den Soldaten stoßen Politikerbesuche auf ein geteiltes Echo. Als störend werden aufwendige Visiten großer Delegationen mit Abgeordneten und anderen Interessierten empfunden. Jung erklärte, man müsse möglicherweise Besuche von Parlamentariern künftig stärker konzentrieren.
Eine Zusammenarbeit mit Taliban, die sich nicht eindeutig von Gewalt distanzierten, dürfe es nicht geben, sagte Jung. Der Versuch, diejenigen, die von der Gewalt abließen, von den Taliban wegzuholen, sei richtig. US-Präsident Barack Obama hatte kürzlich einen Vorstoß zur Kooperation mit friedlichen Taliban gestartet.
Quelle: ntv.de