Druck machen über die Länder Neuer Mindestlohn-Anlauf
24.06.2007, 07:40 UhrFür die SPD bleibt das Thema Mindestlohn auf der Tagesordnung. "Wer vollschichtig arbeitet, muss in dieser Bundesrepublik davon auch leben können", sagte SPD-Chef Kurt Beck in Hannover. "Wir werden diese Auseinandersetzung am Ende gewinnen", zeigte er sich überzeugt. Auch Arbeitsminister Franz Müntefering kündigte an, beim Thema Mindestlohn "keine Ruhe" zu geben. "Die Union wird das Thema nicht loswerden - das verspreche ich", betonte der Vizekanzler.
Auf dem letzten Koalitionsgipfel hatten sich Union und SPD nur auf eine Ausweitung des Entsendegesetzes verständigen können. Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn, wie ihn die SPD fordert, lehnt die Union kategorisch ab.
"Alle, die glauben, an der Stelle sei jetzt zwei Jahre Ruhe, und dann steht die Mindestlohnforderung in unserem Wahlprogramm, die irren sich. Ich werde jedenfalls keine Ruhe geben", sagte Müntefering. Laut "Tagesspiegel am Sonntag" erwartet der Vizekanzler jetzt Initiativen aus den Bundesländern, erkündigte an aus dem Koalitionskompromiss "das Maximale" herauszuholen.
Manch einer werde sich noch wundern, zu welchen Ergebnissen das Entsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingungsgesetz als Instrumente führten, kündigte Müntefering an. Der Union warf der Vizekanzler Parteienpolitik vor, da die "Merz-Westerwelle-Ideologie von Teilen der Union über die Interessen der Menschen" gestellt worden sei. Der Mindestlohn sei die zeitgemäße Antwort auf eine Deformation der sozialen Marktwirtschaft, bekräftigte er. "Wir müssen den Menschen zeigen, dass der freie Fall nach unten gestoppt wird."
Experten sehen Gefahren
Arbeitsmarktexperten befürchten durch die von der großen Koalition vereinbarten Mindestlöhne für einige Branchen eine deutliche Zunahme der Schwarzarbeit. Der Linzer Experte für Schwarzarbeit, Friedrich Schneider, sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", die Wertschöpfung in der Schattenwirtschaft könne durch den Kompromiss um acht bis zehn Milliarden Euro anwachsen. Das wäre ein Anstieg von fast drei Prozent.
Eine halbe Million neue Schwarzarbeiter
Schneider befürchtet, etwa 400.000 bis 600.000 Menschen würden erstmals oder häufiger schwarzarbeiten. Dahinter steht die Annahme, dass Firmen Stellen streichen, wenn legale Arbeit im Niedriglohnbereich per Gesetz teurer wird. Gleichzeitig würde die Nachfrage nach illegalen Kräften steigen.
Auch Experten des Bundesverbandes der Arbeitgeber (BDA) und des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft erwarten durch die geplante Ausweitung des Entsendegesetzes mehr Schwarzarbeit. Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) führten die Mindestlöhne jedoch zu einem Rückgang der Schwarzarbeit. DGB-Chefökonom Dierk Hirschel sagte, dass die Menschen durch einen höheren Nettoverdienst nicht mehr auf Schwarzarbeit angewiesen seien.
Deutschland eine der wenigen Ausnahmen
Das Thema Mindestlohn werde auch künftig in jeder Rede eines SPD-Politikers eine Rolle spielen, sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck beim AWO-Bundeskongress in Magdeburg. Es könne nicht sein, dass in zahlreichen Staaten Europas Mindestlöhne gelten, während in Deutschland die Wirtschaft daran kaputt gehen solle.
Grüne nennen Armutslöhne Skandal
SPD-Generalsekretär Hubertus Heil warf Bundeskanzlerin Angela Merkel mangelnden Durchsetzungswillen beim Thema Mindestlohn vor. Wegen der "ideologischen Bremser" in der Union gebe es nun eine unzureichende Regelung, erklärte Heil in der "Braunschweiger Zeitung". Er erwarte, dass Merkel im Interesse des Landes solche Blockaden aufbreche. Namentlich nannte Heil die Ministerpräsidenten aus Niedersachsen und Hessen, Christian Wulff und Roland Koch.
Als Skandal bezeichnete es Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, dass in Deutschland mehr und mehr Branchen dazu übergingen, Armutslöhne durchzusetzen. Mindestlöhne seien nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft und der sozialen Fairness, sondern auch der Moral, sagte er im Südwestrundfunk. Würde man im Bundestag die Abstimmung darüber freigeben, gäbe es eine Mehrheit für Mindestlohnregelungen.
Quelle: ntv.de