Schwärzester März seit 1928 Nun droht Jobkrise
31.03.2009, 14:54 UhrDer deutsche Arbeitsmarkt präsentiert sich zum Frühjahrsbeginn ungewöhnlich frostig: Mit kräftig steigender Erwerbslosigkeit und der Flucht von Zehntausenden Unternehmen in die Kurzarbeit droht Deutschland nach der Rezession nun auch eine Jobkrise. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im März 3.586.000 Männer und Frauen ohne Arbeit. Dies seien 34.000 mehr als im Februar. Damit sei die Arbeitslosigkeit zum Frühjahrsbeginn erstmals seit 1928 gestiegen. "Diese ungewöhnlich März-Entwicklung hat mich persönlich überrascht", räumte BA-Chef Frank-Jürgen Weise ein.
Nach den starken Anstiegen der Vormonate stellt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt auch erstmals seit gut dreieinhalb Jahren schlechter dar als im Vorjahr: Im März 2008 waren in Deutschland noch 78.000 Menschen weniger auf Arbeitssuche. Die Arbeitslosenquote nahm aktuell um 0,1 Punkte auf 8,6 Prozent zu. Auch bereinigt um saisonale Sonderfaktoren stieg die Arbeitslosigkeit im März 2009 um 69.000. Dieser Anstieg gehe voll auf das Konto der schlechten Konjunktur, betonte Weise.
Nun auch Leiharbeiter betroffen
Inzwischen sei nach einem Boom im Vorjahr auch die Leiharbeit von der Krise betroffen. Mit zuletzt 250.000 Beschäftigten im Januar hätten sich die Belegschaften der Zeitarbeitsunternehmen seit Oktober halbiert. Im Februar hätten diese Firmen wegen Auftragsmangels für 26.000 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt, nach 15.000 im Januar. Nach Einschätzung von Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigt die Entwicklung am Arbeitsmarkt den Ernst der Lage: "Die Wirtschaftskrise geht auch an gut aufgestellten Unternehmen nicht spurlos vorbei."
Ohne Kurzarbeit wäre alles noch schlimmer
Ohne den massiven Einsatz der Kurzarbeit läge die Zahl der Arbeitslosen nach Ansicht von BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker vermutlich deutlich höher. Seit November 2008 haben nach Angaben der Bundesagentur rund 50.00 Firmen für 2,3 Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Allein für März rechnet Becker nach einer Schnellumfrage mit 680 000 bis 740 000 Kurzarbeit-Anmeldungen - dies wären ungefähr so viele wie im Februar. Im ersten Quartal liege die Zahl der entsprechenden Anträge bei rund 1,7 Millionen. Allerdings sei unklar, ob die Anmeldungen auch tatsächlich umgesetzt würden, betonte Becker. Viele Unternehmen beantragten vorsorglich Kurzarbeit, ohne sie in vollem Umfang zu nutzen.
Die Einschätzung von Bankenvolkswirten, wonach die nie dagewesene Nachfrage nach Kurzarbeit ein Vorbote für Entlassungswellen im Spätsommer ist, beurteilte die Bundesagentur-Führung zurückhaltend. Der Umgang mit den Belegschaften werde davon abhängen, wie die Firmen die wirtschaftliche Lage im Sommer beurteilen, sagte BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt. Für seinen Vorstandskollegen Becker ist die hohe Zahl der Kurzarbeiter-Anmeldungen grundsätzlich erfreulich: "Das zeigt, dass die Unternehmen bemüht sind, ihre Mitarbeiter zu halten. Das ist ein positives Signal und macht deutlich, dass die Angebote der Bundesregierung in Sachen Kurzarbeit von den Firmen angenommen werden".
Keine Entspannung vor 2010
Mit einem Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt noch in diesem Jahr rechnet BA-Chef Weise inzwischen nicht mehr. "Auch in der zweiten Jahreshälfte wird es noch keine Belebung geben", betonte er. Eine Entspannung sei frühestens 2010 zu erwarten. "Aber wann genau das der Fall ist, hängt von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ab", fügte er hinzu. Für dieses Jahr schloss er einen Anstieg der Arbeitssuchenden über die psychologisch wichtige Vier-Millionen-Marke nicht mehr aus. Zugleich warnte Weise vor einer Dramatisierung der Lage: "Gemessen an der schwierigen wirtschaftlichen Lage und an Zahlen in früheren Wirtschaftskrisen steht der Arbeitsmarkt noch gut da."
Auf eine zunehmende Verschärfung der Arbeitsmarktlage weisen hingegen die Daten zur Beschäftigung hin. So sank die Zahl der Erwerbstätigen nach den letzten verfügbaren Daten vom Februar um 35.000 auf 39,82 Millionen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag nach Hochrechnungen der BA im Januar bei 27,33 Millionen; dies waren nur noch 250.000 mehr als im Vorjahr. Unverändert tief ist die Kluft auf dem Arbeitsmarkt zwischen Ost und West: Mit einer Quote von 14,2 Prozent war die Arbeitslosigkeit im März in den neuen Bundesländern genau doppelt so hoch wie in den alten. Im Osten waren 1,207 Millionen Menschen ohne Arbeit (plus 3000), im Westen 2,379 Millionen (plus 31.000).
Quelle: ntv.de