Zitterpartie in Kiel Nur ein Abweichler kann Koalition kippen
10.12.2010, 14:10 UhrEreilt Carstensen ein Abweichler-Schicksal wie Simonis? Im Kieler Landtag hängt wieder alles an einer Stimme. Verweigert nur ein CDU- Wackelkandidat dem Landeshaushalt sein Ja, geht Schwarz-Gelb an der Förde den Bach runter. Was dann käme, weiß niemand genau.

Beim "Heide-Mord" 2005 hatte er noch gut lachen. Jetzt könnte Carstensen ein ähnliches Schicksal ereilen.
(Foto: dpa)
Fast sechs Jahre nach dem "Heide-Mord" an der damaligen Kieler SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis droht CDU-Nachfolger Peter Harry Carstensen ein ähnliches Schicksal. Falls am nächsten Mittwoch ein Wackelkandidat aus seiner Fraktion nicht für den Haushalt 2011/2012 stimmt, wäre die CDU/FDP-Koalition am Ende - sie hat nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Zwar betonen Carstensen & Co., dass sie ihre Truppen zusammenhaben werden, doch spätestens seit dem Simonis-Fiasko bei der Ministerpräsidentenwahl im März 2005 ist im Norden nichts sicher.
Das gilt umso mehr, als der Wackelkandidat Werner Kalinka einen betont eigenen Kopf hat. Er musste hinnehmen, dass sein Kampf gegen Mittelkürzungen bei Blinden und bei der Kultur erfolglos blieb. Auch sein Ruf nach mehr Diskussion über Schwächen der Partei verhallte ohne das gewünschte Echo - viele Enttäuschungen also. Fraktionsintern stimmte er, wie auch eine Kollegin aus Nordfriesland, gegen die schwarz-gelben Haushaltsanträge - aus Protest gegen eine Küstenschutzabgabe für die Bewohner an Nord- und Ostsee sowie die Schließung des Gefängnisses in Flensburg.
Was passiert nach einem Scheitern?
"Daran kann doch niemand im Ernst den Haushalt scheitern lassen und das Land so unregierbar machen", heißt es in der Koalition. "Ich bin sehr sicher, dass wir den Haushalt verabschieden werden", beharrte Carstensen. Und wenn es doch schiefgeht? Die Folgen wären kaum übersehbar - in einem Land, das an Turbulenzen reich ist. 2009 war eine große Koalition spektakulär zerbrochen. Bei der Neuwahl siegten CDU/FDP. Und am 30. August dieses Jahres verlangte das Landesverfassungsgericht die nächste Neuwahl, weil das Wahlgesetz und die daraus resultierende Mandatsverteilung verfassungswidrig seien.
Zunächst dürfte bei einem Scheitern des Haushalts Schwarz-Gelb zerbrechen. Die FDP kann kaum an einer Koalition mit einer CDU festhalten, die in der wichtigsten landespolitischen Frage nicht steht. Dazu am Freitag FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki: "An derlei Spekulationen beteilige ich mich nicht. Ich kann sicher sagen, dass die 14 FDP-Abgeordneten dem Haushalt zustimmen werden".
Bliebe die jetzige Regierung selbst nach einem Scheitern beim Haushalt im Amt, könnte sie mit einem Not-Etat weiterarbeiten. Das Land wäre aber politisch gelähmt. Das gilt auch für den Fall einer CDU-Minderheitsregierung. Eine solche könnte es geben, wenn nach einer FDP-Aufkündigung der Koalition die Wahl eines anderen Ministerpräsidenten aus dem linken Lager bei einem möglichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Carstensen scheitern würde.
Es wird wohl vor 2012 gewählt
Carstensen könnte auch versuchen, eine neue Parlamentsmehrheit zu zimmern. Theoretisch ginge das mit den Grünen bei Tolerierung durch den Südschleswigschen Wählerverband (SSW). Doch diese hätten daran keinerlei Interesse - nach dem Aus von Schwarz-Grün in Hamburg schon gar nicht. "Wir würden ohne Neuwahl niemanden zum Ministerpräsidenten machen", versichert Grünen-Landeschefin Marlene Löhr. Nach dem Verfassungsgerichtsurteil muss spätestens im Herbst 2012 neu gewählt werden. Es wird aber wohl früher werden.
Quelle: ntv.de, Wolfgang Schmidt, dpa