"Reconciliation"-Verfahren Obama greift in die Trickkiste
03.03.2010, 21:17 UhrNach einem Jahr der scharfen politischen Debatte will US-Präsident Obama seine Gesundheitsreform mit einem komplizierten parlamentarischen Verfahren retten. Dazu bräuchte er nicht einmal die Republikaner.
US-Präsident Barack Obama setzt zur Rettung seiner Gesundheitsreform auf ein kompliziertes parlamentarisches Verfahren. "Reconciliation" sieht vor, dass Haushaltsgesetze im Senat ohne die sonst erforderliche Mehrheit von 60 der 100 Stimmen verabschiedet werden können. Es genügt eine Mehrheit von 51 Stimmen. Obamas Demokraten verfügen nach dem Verlust eines Sitzes im Januar nur über 59 Senatoren. "Reconciliation" würde den gegnerischen Republikanern die Möglichkeit nehmen, die Reform durch einen "Filibuster" im Senat zu blockieren.
Obama legte in Washington einen Entwurf vor, in den nach seinen Angaben mehrere Vorschläge der Republikaner eingeflossen sind. Er forderte den Kongress auf, "seine Aufgabe zu erledigen" und das Großprojekt ungeachtet des politischen Gegenwinds durchzubringen. Mit seinem Beharren auf die Umsetzung der Reform wagt Obama die Kraftprobe mit den gegnerischen Republikanern, aber auch mit Kritikern unter seinen eigenen Demokraten.
Aufgabe auch für Demokraten
Obama deutete an, dass er es in Kauf nehmen wolle, dass die unpopuläre Gesundheitsreform die Wahlchancen seiner Partei schmälern werde: "Ich weiß nicht, wie sich das alles politisch auswirken wird, aber ich weiß, dass es richtig ist." Im Kongress zögern zahlreiche Demokraten derzeit noch, Obamas Vorgehen zu unterstützen, da sie eine Niederlage bei der Kongresswahl im November befürchten. Eine Niederlage würde Obamas politischer Autorität großen Schaden zufügen.
Obama machte klar, dass er nach einem Jahr der scharfen politischen Debatte eine Entscheidung erzwingen wolle. Über seinen Entwurf sagte er: "Das ist nun also unser Vorschlag. Das sind die Ergebnisse, zu denen wir gelangt sind." Er betonte, dass darin "die besten Ideen von Demokraten und Republikanern" eingeflossen seien.
Lösung für Haushaltsgesetze
Das "Reconciliation"-Verfahren wurde 1974 für jene Vorlagen im Senat eingeführt, bei denen es lediglich um die Auswirkungen auf den Staatshaushalt geht. Ein später hinzugefügter Zusatz schreibt vor, dass das Verfahren nur dann angewendet werden darf, wenn die betroffene Gesetzgebung das Staatsdefizit verringert. Zweck des Schnellverfahrens ist es, wichtige Haushaltsfragen nicht zum Objekt von Blockaden durch die Minderheitsfraktion im Senat ("Filibuster") werden zu lassen.
Die Republikaner werfen den Demokraten nun vor, die Regelung für ihre Gesundheitsreform zu missbrauchen. Einer Aufstellung der "New York Times" zufolge waren freilich die Republikaner selbst in 16 der 22 Fälle die treibende Kraft, in denen "Reconciliation" bislang angewandt wurde - darunter waren auch Großvorhaben wie eine Steuerreform und eine Reform der Sozialleistungen.
Keine Versöhnung
Das "Reconciliation"-Verfahren stellt strenge formale und inhaltliche Anforderungen an die Vorlagen. Der Ausweg für Obama könnte so aussehen, dass die zweite Kongresskammer - das Repräsentantenhaus, in dem Obamas Demokraten die Mehrheit haben - zunächst jenen Reformentwurf verabschiedet, den der Senat im Dezember mit 60-Stimmen-Mehrheit beschlossen hatte. Dieser Entwurf ist aber selbst nach Auffassung vieler Demokraten verbesserungsbedürftig. Im "Reconciliation"-Verfahren würden dann ergänzend die nötigen Änderungen verabschiedet.
Der Name "Reconciliation" ("Versöhnung") ist eigentlich irreführend, weil das Verfahren eben nicht auf einen Konsens zwischen den Parteien abzielt. Die Namensgeber meinten damit ursprünglich, dass das Verfahren die Ausgaben und Einnahmen im Budget "versöhnen" soll - und nicht etwa die gegnerischen Parteien.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP