Merkel verzeiht Oettinger korrigiert sich
16.04.2007, 09:00 UhrNach tagelangem Streit über seine umstrittene Trauerrede für seinen Vorgänger Hans Filbinger hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) entschuldigt. Er distanzierte sich vor einer Präsidiumssitzung der CDU vor allem von der Einstufung Filbingers als einen Gegner des Nationalsozialismus. "Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht. Und ich bin deswegen hier, um mein Bedauern auszudrücken", sagte er in Berlin. Zuvor hatte die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu aufgerufen, den Schritt Oettingers zu akzeptieren und die Diskussion um die Rede jetzt zu beenden.
Entschuldigung bei den Opfern
Oettinger entschuldigte sich auch bei den Angehörigen und Opfern des Nationalsozialismus. "Es war mir ernst und es ist mir ernst." Der Ministerpräsident hatte Filbinger in einer Trauerrede bescheinigt, "kein Nationalsozialist" gewesen zu sein, sondern "ein Gegner des NS-Regimes". Dies hatte zu massiven Protesten geführt, weil der am 1. April gestorbenen Ex-Ministerpräsident am Ende des Zweiten Weltkrieges nachweislich als Marinejurist an Todesurteilen mitgewirkt hatte.
Absage an Benedikt
Oettinger war entgegen ursprünglichen Plänen nach Berlin zu der Präsidiumssitzung gereist. Eigentlich wollte er im Vatikan an den Feiern zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI teilnehmen. Merkel sagte mit Blick auf die Aussage Oettingers: "Ich erwarte jetzt, dass die Entschuldigung gehört wird." Damit werde ermöglicht, dass über die Perspektiven der Opfer und der Verfolgten gesprochen werde. Dies liege ihr sehr am Herzen, sagte Merkel vor der Sitzung. Sie bezeichnete die Entschuldigung Oettinger als "wichtigen und notwendigen Schritt". Deutschland könne seine Zukunft nur gestalten, wenn es Verantwortung für seine Vergangenheit übernehme.
"Nicht für das Amt geeignet"
Für SPD, Grüne und die Linksfraktion war die Affäre allerdings noch nicht beendet. Die kritischen Einlassungen aus den Reihen der SPD und der Opposition waren allerdings noch vor der ergänzenden Klarstellung und Distanzierung Oettingers verbreitet worden. Teilnehmer der Präsidiumssitzung berichteten, dass die Entschuldigung des Ministerpräsidenten akzeptiert worden sei. Sie sprachen von einem "würdigen Auftritt" Oettingers.
Aus Sicht des Historikers Julius Schoeps ist Oettinger auch nach der Entschuldigung unhaltbar. "Ich bin der Meinung, dass er nicht für das Amt geeignet ist", sagte der Direktor des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien. "Er muss sich bei den Opfern entschuldigen", sagte Schoeps. Auch die Äußerungen des Wissenschaftlers wurden vor der förmlichen Entschuldigung des Ministerpräsidenten verbreitet.
Oettinger hatte bereits vor der Sitzung des CDU-Spitzengremiums eingelenkt. Er hatte dabei sein Bedauern über die Wirkung der Trauerrede ausgedrückt, den Inhalt seiner Rede aber zumindest noch teilweise gerechtfertigt. "Ich habe deutlich erklärt, dass die Wirkung der Rede mir Leid tut", sagte Oettinger vor Beginn der europäischen Handwerkerkonferenz in Stuttgart. Er erläuterte dabei seine Sicht der NS-Vergangenheit Filbingers.
"Nicht Gegner im Sinne des Widerstands"
Angesprochen auf den Satz in seiner Traueransprache, es gebe "kein Urteil von Hans Filbinger, durch das ein Mensch sein Leben verloren hätte", sagte Oettinger: "Er war Vertreter der Anklage und nicht der entscheidende Richter." Er fügte hinzu: "Ich glaube, dass er nicht Gegner im Sinne des Widerstands war." Bei der Trauerfeier in Freiburg hatte Oettinger noch gesagt, der 1945 als NS-Marinerichter mit Todesurteilen gegen Deserteure befasste Filbinger sei Gegner des Nationalsozialismus gewesen.
Quelle: ntv.de