Politik

"Erhebliches Systemversagen" Opposition kritisiert Katastrophenschutz scharf

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Die Forderungen nach einem besseren Katastrophenschutz werden immer lauter. Die FDP sieht ein "erhebliches Systemversagen" - und Innenminister Seehofer in der Verantwortung. Der spricht von "billiger Wahlkampfrhetorik".

Während sich die Lage in den Hochwassergebieten beruhigt, nimmt die politische Debatte über Folgen für Katastrophen- und Klimaschutz Fahrt auf. Die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, sprach sich dafür aus, dass der Bund eine größere koordinierende Rolle bei überregionalen Katastrophen wie Fluten oder Waldbränden bekommt. "Der zweite Punkt ist, dass wir Klimaanpassungsmaßnahmen brauchen", sagte sie in der ARD. Auch CSU-Chef Markus Söder forderte in dem Sender mehr Anstrengungen: "Wir brauchen schon einen Klima-Ruck in Deutschland." Kritik am Bevölkerungsschutz gibt es zudem etwa von der FDP.

Dem "Spiegel" sagte Baerbock: "Hilfe funktioniert nur, wenn alles ineinander greift. Dafür braucht es eine Instanz, die alle Kräfte bündelt, die schnellstmöglich aus ganz Deutschland oder EU-Nachbarstaaten Hubschrauber oder Spezialgeräte zusammenzieht." Sie sprach von einer schnelleren Koordinierung der verschiedenen Ebenen und Akteure. Das gelte insbesondere für Ereignisse, die mehrere Bundesländer betreffen oder nicht mehr durch die regionalen Einsatzkräfte bewältigt werden könnten. "Dazu muss das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mit einer Zentralstellenfunktion ausgestattet werden, wie wir sie in der Polizeiarbeit vom Bundeskriminalamt kennen."

In der ARD sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin, auch Warnketten müssten verbessert werden. Und Städte müssten umgebaut werden, Flüssen müsse mehr Raum gegeben werden. "Das ist kein Entweder-oder zwischen Klimavorsorge, Klimaanpassung und Klimaschutz, sondern ein Dreiklang, der eigentlich in den ganzen Klimaschutzverträgen weltweit auch genauso beschlossen ist." Von der CDU forderte sie im "Spiegel", Widerstand gegen ein striktes Bauverbot in Hochwasserrisikogebieten aufzugeben.

"Schwere Versäumnisse bei Behörden"

FDP-Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer sieht schwere Versäumnisse beim Bevölkerungsschutz. "Die rechtzeitigen Warnungen der Meteorologen sind weder von den Behörden noch vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinreichend an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert worden", sagte er. "Es bietet sich das Bild eines erheblichen Systemversagens, für das der Bundesinnenminister Seehofer unmittelbar die persönliche Verantwortung trägt."

Die FDP-Fraktion beantragte eine kurzfristige Sondersitzung des Innenausschusses. Dabei solle es um die Lage in den Hochwassergebieten, Abläufe der Warn- und Alarmierungsverfahren in der vergangenen Woche sowie Schlussfolgerungen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) und der Bundesregierung gehen. Die Liberalen fordern die Anwesenheit von Bundesinnenminister Horst Seehofer, BBK-Präsident Armin Schuster und der Spitze des Technischen Hilfswerkes. "Der Vorwurf steht im Raum, dass mit großer Vorlaufzeit Erkenntnisse über die drohende Gefahrenlage für die Hochwassergebiete bekannt waren. Trotzdem hat es so viele Tote und unbeschreibliche Verwüstungen gegeben", sagte Stephan Thomae, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender. Seehofer müsse darlegen, was die Bundesregierung wann genau wusste - und was unternommen wurde, um den Katastrophenschutz sicherzustellen.

"Neben einer schonungslosen Aufarbeitung dieser Katastrophe gilt es, uns für die Zukunft besser zu wappnen. Ein schneller Ausbau des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu einer bundesweiten Zentralstelle bei besonders schweren Unglücksfällen wäre dabei ein erster wichtiger Schritt", so Thomae. "Das Gefährdungspotential war mehrere Tage vor dem Unwetter bereits bekannt. Die Bundesregierung muss dringend offenlegen, wo Warn- und Alarmierungsverfahren nicht richtig funktioniert haben", sagte Benjamin Strasser, Obmann der FDP-Fraktion im Innenausschuss. "Die Lehren aus dieser Katastrophe dürfen nicht aufgeschoben werden, sondern müssen rasch umgesetzt werden. Die Baustellen beim Katastrophenschutz sind groß."

Seehofer und Laschet wollen Abläufe aufarbeiten

Seehofer verteidigte den Katastrophenschutz. Manches an der derzeit geäußerten Kritik sei einer "ganz billigen Wahlkampfrhetorik" zuzuordnen, sagte Seehofer bei einem Besuch an der Steinbachtalbrücke in Euskirchen. Dies sei fast schäbig. Zugleich kündigte er an, dass nach der Bewältigung der akuten Krisenlage die Abläufe im Katastrophenschutz aufgearbeitet würden. Er selbst habe "das größte Interesse" daran. "Aber jetzt in diesen Tagen hat die Bevölkerung ein Interesse an der Hilfe und der Solidarität."

Die Meldewege rund um die Unwetterkatastrophe hätten nach seiner Information von Seiten des Bundes funktioniert. Auf der Ebene der Bundesländer wolle er sich nicht dazu einmischen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet sagte bei dem gemeinsamen Besuch mit Seehofer, die Krisenstäbe der betroffenen Landkreise hätten bereits bei der Warnung des Deutschen Wetterdienstes reagiert, jeweils unterschiedlich nach den örtlichen Gegebenheiten. "Wir werden das im Nachhinein untersuchen, wo können die Meldewege noch besser werden", kündigte der CDU-Politiker an. Es sei ihm aber geschildert worden, dass ganz andere Phänomene bei diesem Unwetter aufgetreten seien, als in den Katastrophenplänen standen. So habe etwa im Rhein-Erft-Kreis eine unterspülte Kiesgrube die Probleme ausgelöst, dies sei nicht Teil der normalen Flutpläne gewesen. "Deshalb wird da eine genaue Analyse erforderlich sein", sagte Laschet. Es müsse geprüft werden, wo der Katastrophenschutz verbessert werden könne.

Der bayerische Ministerpräsident Söder kündigte für Mittwoch eine Regierungserklärung zum Klimaschutz an. Dabei werde es nicht nur darum gehen, Ziele zu definieren, sondern dies auch finanziell mit einem Klimaprogramm zu hinterlegen, sagte er in der ARD. Klimaschutz sei keine ideologische Frage, sondern eine Frage der Vernunft und der Ethik. Es gehe darum, die Heimat stärker zu schützen und zu überlegen, welche Welt man Kindern und Kindeskindern übergeben wolle.

Quelle: ntv.de, chl/dpa/AFP

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