Politik

Warnung vor Provokationen Bakijews Opposition lehnt Gespräche ab

In der Hauptstadt Bischkek trauerten Menschen um die Opfer der Randale.

In der Hauptstadt Bischkek trauerten Menschen um die Opfer der Randale.

(Foto: dpa)

Die Lage in Kirgisistan beruhigt sich langsam. Die Übergangsregierung lehnt jedoch ein Gesprächsangebot des gestürzten Präsidenten Bakijew ab. Sie wirft ihm die Veruntreuung von Staatsgeldern vor und warnt vor "gewaltsamen Provokationen" des Ex-Präsidenten. In Moskau wird über wirtschaftliche Hilfen für das Land verhandelt - eine Bedingung könnte die Schließung der US-Luftwaffenbasis sein.

Nach dem blutigen Volksaufstand in Kirgisistan hat sich die Lage in der zentralasiatischen Republik etwas entspannt. Militär und Polizei sowie Bürgerwehren hätten die Situation in der Hauptstadt Bischkek unter Kontrolle, teilte die Übergangsregierung nach Angaben der kirgisischen Agentur Akipress mit. Innerhalb der kommenden sechs Monate soll es nach dem Willen der Gegner des entmachteten autoritären Staatschefs Kurmanbek Bakijew Präsidenten- und Parlamentswahlen geben. Außerdem soll mit einer Verfassungsänderung die Rolle des Parlaments gestärkt werden.

Otunbajewa besuchte Verletzte im Krankenhaus.

Otunbajewa besuchte Verletzte im Krankenhaus.

(Foto: AP)

Die neue Regierungschefin Rosa Otunbajewa warnte vor "gewaltsamen Provokationen" durch Anhänger Bakijews. Für Samstag waren im Süden des Landes Kundgebungen sowohl von Anhängern der Übergangsregierung als auch des gestürzten Präsidenten Bakijew geplant, wie Otunbajewa sagte. Die Ereignisse in Bakijews Hochburg gelten als entscheidend für die Zukunft der Übergangsregierung. Beide Seiten warnen vor einem Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden. Die Beziehungen beider Landesteile sind traditionell gespannt.

Parlamentarische Demokratie geplant

Im Gedenken an die 76 Toten des Volksaufstands vom Mittwoch versammelten sich derweil tausende Menschen vor Regierungssitz und Präsidialamt in Bischkek. Otunbajewa sicherte den Hinterbliebenen finanzielle Unterstützung zu. Auch die Kosten für die Beisetzungen übernehme der Staat. In der Hauptstadt war es in der Nacht erneut zu Krawallen gekommen. Nach Behördenangaben wurden dabei sechs Menschen verletzt.

Die neue Regierung kündigte eine entscheidende Änderung des politischen Systems an. "Kirgistan wird eine parlamentarische Demokratie", sagte der stellvertretende Regierungschef Omurbek Tekebajew der Agentur Interfax. Bisher sieht die Verfassung einen starken Präsidenten vor. Das Land müsse davon weg, "dass der Sieger alles erhält, so wie früher", sagte Tekebajew. Der amtierende Finanzminister Temir Sarijew sagte, die neue Regierung habe die Kontrolle über die Finanzen des Landes.

Arbeiter räumen die Schäden der vergangenen Nächte weg.

Arbeiter räumen die Schäden der vergangenen Nächte weg.

(Foto: AP)

Russland sicherte der neuen Führung Hilfe zu. Moskau hat die neuen Machthaber im Gegensatz zu den USA bereits anerkannt. Die Übergangsregierung dankte Russland für dessen Rolle beim Sturz von Bakijew und erklärte die Moskauer Regierung zum wichtigsten strategischen Partner. Die USA riefen zur Wahrung von Demokratie und Menschenrechten in Kirgisistan auf. Die Europäische Union entsandte den Franzosen Pierre Morel als Sonderbeauftragten nach Bischkek.

Konten des Bankensystems eingefroren

Bakijew hielt sich nach eigenen Angaben im islamisch-konservativ geprägten Süden des Landes auf und lehnte einen Rücktritt erneut ab. Er bot der neuen Führung im prorussischen Norden Verhandlungen an. Dazu sagte Otunbajewa, für solche Gespräche gebe es "keinen Grund". Sie warf Bakijew vor, Terror-Anschläge zu planen. Jedoch bot sie ihm freies Geleit, wenn er das Land verlasse.

Die Übergangsregierung fror zudem die Konten des nationalen Bankensystems ein und warf dem gestürzten Staatschef vor, Staatsgelder im großen Stil veruntreut zu haben. "Die Staatskassen sind fast leer. All die Gelder wurden transferiert", sagte der Stabschef von Otunbajewa, Edil Baisalow. Derzeit seien nur noch 986 Millionen Kirgisistan-Som (16 Millionen Euro) in der Staatskasse.

Haftbefehl gegen Bakijews Bruder

Die Übergangsregierung befürchtet, dass von Bakijew kontrollierte Banken Gelder ins Ausland schaffen könnten. "Wir haben unwiderlegbare Beweise für eine von Bakijew angeführte kriminelle Organisation entdeckt", sagte ein Regierungsvertreter. Am Donnerstag sei eine Gruppe von Verdächtigen mit Verbindungen zu einer kirgisischen Bank am internationalen Flughafen von Manas festgenommen worden, als sie gerade versucht habe, umgerechnet 3,4 Millionen Euro außer Landes zu schaffen. "Wir glauben, dass sie Verbindungen zu Bakijew hat", sagte Baisalow.

Der zuletzt für die nationale Sicherheit im Land verantwortliche Bruder des Präsidenten, Schanysch Bakijew, wird derweil wegen Mordes per Haftbefehl gesucht. Die Staatsanwaltschaft, die auch Haftbefehle gegen zwei Söhne des Präsidenten erließ, macht den Bruder für den Schießbefehl und damit für das Blutbad während des Aufstandes verantwortlich. Dabei waren seit Dienstag mindestens 76 Menschen getötet und mehr als 1500 verletzt worden.

Unklarheit über US-Luftwaffenstützpunkt

Kirgisistan ist für den Westen von großem strategischen Interesse. Das Land liegt nördlich des Iran und Afghanistans und soll ein Bollwerk gegen islamische Extremisten bilden. Vize-Regierungschef Tekebajew räumte ein, dass es in der neuen Führung "geteilte Meinungen" über den US-amerikanischen Luftwaffenstützpunkt Manas gebe. Die USA versorgen von der Basis bei Bischkek aus ihre Truppen in Afghanistan. Allerdings stört sich Russland an der US-Militärpräsenz in der Region. Ein hochrangiger Vertreter Russlands deutete an, die neuen Machthaber zur Schließung von Manas aufzufordern. "Es sollte nur einen Militärstützpunkt in Kirgisistan gegen - den Russlands."

Eine Delegation der neuen kirgisischen Führung traf derweil in Moskau ein. Bei den Gesprächen unter Leitung des früheren Präsidentschaftskandidaten Almasbek Atambajew sollte es auch um humanitäre Hilfe für das völlig verarmte Hochgebirgsland gehen. Am Vortag hatte Regierungschef Wladimir Putin "dem Bruderland" Unterstützung zugesichert. Kremlchef Dmitri Medwedew entsandte 150 Soldaten nach Kirgisistan, wo Russland eigene Streitkräfte stationiert hat.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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