"Null Toleranz gegenüber Antisemitismus" Orban gibt sich zahm
06.05.2013, 09:59 Uhr
Kritiker werfen Orban vor, mit vager Rhetorik Wählerstimmen sichern zu wollen.
(Foto: AP)
Solche Töne hört man selten aus dem Mund des ungarischen Ministerpräsidenten Orban: Mit scharfen Worten geißelt er den zunehmenden Antisemitismus in seinem Land. Für seine Kritik gibt es allerdings einen simplen Grund.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban ist schon lange umstritten wegen seiner nationalistischen Haltung. Nun allerdings verurteilt er scharf den wachsenden Antisemitismus in seinem Land - was wohl auch mit dem Ort seiner Rede zu tun hat. Denn Orban trat bei der Hauptversammlung des Jüdischen Weltkongresses auf, der zum ersten Mal in Budapest tagt.
"Herr Ministerpräsident", wandte sich Kongress-Präsident Ronald S. Lauder beim Eröffnungsdiner des Plenums an den anwesenden Regierungschef, "die ungarischen Juden brauchen Sie, um den Kampf gegen diese dunklen Kräfte aufzunehmen. Sie brauchen Ihre Führung in diesem Kampf."
"Aus moralischer Verpflichtung heraus haben wir null Toleranz gegenüber dem Antisemitismus", sagte Orban in seiner Antwort auf Lauder. Antisemitismus sei "nicht akzeptabel und nicht tolerierbar". Orban verwies in seiner Rede zudem auf Schritte seiner konservativen Regierung zur Wahrung der Erinnerung an den Holocaust, bei dem etwa eine halbe Million ungarische Juden ermordet wurden.
Der Regierungschef sparte nicht mit Verurteilungen des Antisemitismus schlechthin - richtig konkret wurde er aber nicht. Gegen die rassistische Hetze im eigenen Land fand Orban jedoch keine Worte. Vielmehr versuchte er die Schwere des Problems in Ungarn zu relativieren, indem er auf das restliche Europa verwies. Müsse sich nicht ganz Europa fragen, wie es zu jener wirtschaftlichen Krise kommen konnte, auf deren Grundlage nun an vielen Orten Frustration, Wut und Hass gedeihen würden, fragte er in die Runde.
Juden wünschen sich deutliche Worte
Nach der Rede Orbans erklärte der Jüdische Weltkongress, Orban habe sich dem wahren Problem nicht gestellt, nämlich der Bedrohung durch Antisemiten im Allgemeinen und durch die Partei Jobbik im Besonderen. "Wir bedauern, dass Herr Orban keine der jüngsten anti-semitischen Vorfälle in dem Land thematisiert hat. Außerdem hat er keine klare Grenze zwischen seiner Regierung und dem ganz rechten Rand gezogen."
Bei der Hauptversammlung wird auch Außenminister Guido Westerwelle als Gastredner erwartet. Der "Bild"-Zeitung sagte Westerwelle, beim Treffen mit Orban wolle er Missstände klar ansprechen. "Ehrliche Worte unter Freunden sind nicht nur möglich, sondern üblich". Anlässlich des Kongresses forderte Westerwelle zum Kampf gegen zunehmenden Antisemitismus in Ungarn auf. "Antisemitismus und Intoleranz dürfen wir niemals hinnehmen - nirgendwo auf der Welt und ganz besonders nicht in Europa", sagte Westerwelle.
Das Plenum des Jüdischen Weltkongresses tagt meist in Jerusalem, selten fand eine der alle vier Jahre stattfindenden Sitzungen an anderen Orten statt. Nun jedoch tagt das Plenum wegen der zunehmenden antisemitischen Vorfälle erstmals in Ungarn.
Quelle: ntv.de, dpa