50 Milliarden gegen die Krise Paket II ist verabschiedet
13.02.2009, 17:30 UhrDer Bundestag hat dem zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen zugestimmt. Mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro für 2009 und 2010 ist es das umfangreichste Konjunkturpaket der Nachkriegszeit. Zu dem Vorhaben gehören ein Investitionsprogramm sowie Entlastungen bei Steuern und Abgaben. Dazu kommt noch die Neugestaltung der Kfz-Steuer, die im Anschluss in einem eigenen Gesetz beschlossen wurde. Dafür war auch eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.
Die Oppositionsfraktionen FDP, Linke und Grüne stimmten gegen das Konjunkturpaket. FDP-Chef Guido Westerwelle bezeichnete es als "enttäuschend" und "ziellos". Die Grünen und die Linke forderten eine stärkere Fokussierung auf soziale Gerechtigkeit. Der Bundesrat will am Freitag kommender Woche über das zweite Konjunkturpaket entscheiden. Noch ist eine Mehrheit in der Länderkammer aber unsicher.
Hoffen auf Baden-Württemberg
Die von CDU und SPD allein oder gemeinsam regierten Länder haben im Bundesrat keine Mehrheit. Sie sind auf Stimmen von Bremen und Hamburg, wo die Grünen mitregieren, oder eines großen FDP-Bundeslandes angewiesen. Nachdem sich eine Zustimmung des schwarz-gelb regierten Baden-Württemberg zunächst abzeichnete, verlangte die Landeschefin der Südwest-FDP Nachbesserungen. "Die FDP Baden-Württemberg hat dem Konjunkturprogramm bisher nicht zugestimmt und wird eine Entscheidung über das Abstimmungsverhalten erst treffen, wenn das Ergebnis der Verhandlungen des Konjunkturpakets aus dem Bundesrat vorliegt", sagte Birgit Homburger.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) appellierte im Bundesrat an die Länder, nach der Einigung der Föderalismuskommission auf eine Schuldenbremse jetzt auch dem Paket zuzustimmen. Er forderte die kleineren Regierungspartner in den Ländern auf, die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung nicht zu verzögern: "Wer schnell hilft, hilft doppelt", sagte Oettinger.
Zustimmung Niedersachsens bleibt ungewiss
Unsicher ist auch die Zustimmung der niedersächsischen CDU/FDP-Regierung. Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) kritisierte erneut: "Ich halte das zur Konjunkturbelebung nicht für ausreichend. Ich würde mir weitere Impulse durch Steuersenkungen wünschen." Über die Abstimmung müsse noch gesprochen werden. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) dagegen unterstützt das Paket. Dennoch muss sich das Land im Bundesrat enthalten, wenn die FDP das Paket ablehnt.
Erste Guttenberg-Rede
Der neue Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hält das Konjunkturpaket trotz drastischer Schulden für notwendig. "Wir tun es für die Menschen in unserem Land", sagte er in seiner ersten Rede als Minister im Bundestag.
Auch Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verteidigte die Neuverschuldung. "Ein solcher Konjunkturimpuls ist nach Lage der Dinge nicht zu haben ohne eine Erhöhung der Neuverschuldung." Steinbrück sagte einen Schuldenabbau in besseren Zeiten zu.
Westerwelle forderte erneut mehr Steuerentlastungen der Bürger. "Die Schulden werden bleiben, aber für die Konjunktur und für die Bürger wird sehr wenig herausspringen."
"Ungerecht und unökologisch"
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn kritisierte das Konjunkturpaket in ökologischer Hinsicht als "Blindflieger". Das Maßnahmenpaket habe keine klare Richtung für "Klima, Bildung und soziale Gerechtigkeit" aufgezeigt, sagte Kuhn. Konjunkturpolitik müsse mit Gerechtigkeitspolitik verbunden werden. Steuersenkungen erteilte Kuhn eine Absage. Diese kämen nur der Hälfte aller Haushalte zugute. Vielmehr müssten Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld II erhöht werden.
Linken-Chef Oskar Lafontaine forderte, den Kreditsektor in öffentliche Verantwortung zu übernehmen. Dies sei der beste Weg, um der Wirtschaftskrise "Herr zu werden", sagte Lafontaine. Die Übernahme in öffentliche Verantwortung stelle zudem sicher, dass Zinssenkungen der Zentralbank auch entsprechend weitergegeben würden. Das Paket müsse zudem "sozial ausgewogen" sein.
Mehrheit der Bürger will anderes Paket
Eine klare Mehrheit der Deutschen lehnt das neue Konjunkturpaket der Bundesregierung ab. Mehr Zustimmung findet nach einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag einer Wissenschaftlergruppe und der "Frankfurter Rundschau" ein Gegenvorschlag, der auf deutliche Erhöhungen von Sozialleistungen und Renten sowie auf Mindestlöhne setzt, um die Kaufkraft zu stärken. Der Umfrage zufolge sprachen sich nur 36 Prozent der Befragten für das Konjunkturprogramm der Bundesregierung aus, aber immerhin 48 Prozent für den Gegenentwurf der Gruppe von Sozialwissenschaftlern.
Eine Mehrheit für das Konzept der Großen Koalition gibt es mit 49 Prozent nur bei den Anhängern der CDU/CSU; 38 Prozent bevorzugten hier das Alternativkonzept. Von den Anhängern der FDP votierten 39 Prozent für die Regierungsvorlage und 46 Prozent den Gegenvorschlag. Von den Anhängern der mitregierenden SPD sprachen sich nur 32 Prozent für das Konjunkturpaket der Regierung aus und 57 Prozent für den Gegenvorschlag.
Im Osten Deutschlands ist die Ablehnung der Regierungsvorlage mit 29 zu 57 Prozent deutlich größer als im Westen mit 38 zu 45 Prozent. Die Zustimmung zum Regierungskonzept steigt zudem der Umfrage zufolge mit dem Einkommen der Befragten an. Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung sollte am Freitagmittag vom Bundestag verabschiedet werden. Abschließend entscheidet am Freitag kommender Woche der Bundesrat.
Wofür das Geld ausgegeben wird
In dem beschlossenen Paket stellt der Bund für öffentliche Investitionen 16,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein maßgeblicher Anteil soll davon in den Bildungssektor fließen. Die Entlastungen bei Steuern und Abgaben belaufen sich in 2009 und 2010 auf rund 18 Milliarden Euro. So wird der Grundfreibetrag in zwei Schritten um 340 Euro auf 8004 Euro erhöht. Der Eingangssteuersatz wird um einen Punkt auf 14 Prozent abgesenkt. Die gerade erst erhöhen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung sollen ab 1. Juli um 0,6 Prozentpunkte zulasten des Staates abgesenkt werden.
Mit einem Kreditprogramm für größere Firmen und einem zusätzlichen Bürgschaftsrahmen wird zudem ein Schutzschirm für Unternehmen gespannt. Darüber hinaus werden Arbeitgebern bei Kurzarbeit die Sozialbeiträge für die Mitarbeiter durch die Bundesagentur für Arbeit zur Hälfte erstattet. Die vollen Beiträge werden ihnen erlassen, wenn das Unternehmen seine Mitarbeiter während der Kurzarbeit zusätzlich qualifiziert.
Alle Kindergeldberechtigten erhalten für 2009 eine zusätzliche Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro pro Kind. Auch die Hartz-IV-Zahlungen für sechs bis 13-jährige Kinder werden angehoben.
Verschuldung steigt drastisch
Der Bundestag beschloss in Verbindung mit dem Konjunkturpaket II auch den Nachtragshaushalt für das Jahr 2009. Die Neuverschuldung steigt damit drastisch auf 36,9 Milliarden Euro. Dazu kommen noch weitere, ebenfalls durch Kredite finanzierte Kosten für das Konjunkturpaket, die aber getrennt vom Haushalt in dem Sondervermögen "Investitions- und Tilgungsfonds" verbucht werden.
Bislang war für 2009 eine Neuverschuldung von 18,3 Milliarden Euro vorgesehen gewesen. Das Haushaltsvolumen erreicht mit dem Nachtrag 297,6 Milliarden Euro. Die Oppositionsfraktionen lehnten die Vorlage ab.
Quelle: ntv.de