Politik

Showdown in St. Louis Palin behauptet sich

In den vergangenen vier Wochen hat die republikanische Kandidatin für das Vizepräsidentenamt einen dramatischen Absturz erlebt. Anfang September war Sarah Palin der Star des republikanischen Parteitags. Sie brauchte nur drei Interviews, um ihren Ruf zumindest außerhalb ihrer Partei zu ruinieren. Sie schwafelte, sie stammelte, sie redete wirres Zeug. Auf die Frage nach ihrer außenpolitischen Erfahrung sagte sie einem erstaunten ABC-Moderator, von Alaska aus könne man Russland sehen.

Zwei Wochen später war Katie Couric von CBS skrupellos genug zu fragen, was Palin mit dieser Antwort gemeint habe. Die Antwort: "Dass Alaska eine sehr enge Seegrenze hat zwischen einem fremden Land, Russland, und, auf unserer anderen Seite, die Landgrenze, die wir mit Kanada haben."

Noch schlimmer war eine Antwort zum Rettungspaket für die US-Banken. Ihre Antwort war so konfus, dass CNN-Kommentator Jack Cafferty sich regelrecht sprachlos zeigte. Das sei einer der erbärmlichsten Auftritte gewesen, die er je gesehen habe.

Am Donnerstagabend traf Palin nun auf ihren demokratischen Gegner Joe Biden. Doch es war nicht Biden, gegen den sie beim TV-Duell in der Washington-Universität von St. Louis in Missouri punkten musste. Ihr wirklicher Gegner war das verheerende Bild, das in den amerikanischen Medien mittlerweile über sie kursiert - und bei Youtube vielfach zu besichtigen ist.

Biden atmet tief durch

Insofern hat Palin gewonnen. Wie üblich gab sie sich leutselig und würzte ihre Antworten mit umgangssprachlichen Ausdrücken wie "darn right" oder "I'll betcha" - auf einige Zuschauer mag das ehrlich und bodenständig wirken, auf andere peinlich und anbiedernd. Doch immerhin war sie auf Augenhöhe mit Biden. Die "New York Times" schrieb zwar, dass Palin "Zweifel unter Wählern über die Tiefe ihres Wissens nicht unbedingt besiegt" habe. Doch die Erwartungen hat sie um ein Vielfaches übertroffen.

Auch Biden war weitaus besser als man hätte befürchten können. Trotz seiner 35 Jahre im US-Senat unterlaufen ihm regelmäßig grobe rhetorische Schnitzer. Ohnehin ist die Konstellation der Vize-Kandidaten für ihn problematisch: Palin ist mit ihren 44 Jahren eine vergleichsweise junge Frau, im TV-Duell musste der 65-Jährige darauf achten, nicht herablassend zu wirken und seine Gegnerin nicht zu scharf anzugreifen. Gelegentlich war während einer ihrer Antworten zu hören, wie Biden tief durchatmete. Aber ansonsten blieb sein Ton freundlich.

Beide Kandidaten verdrehten Fakten, dem "Reality Check" von CBS zufolge Palin etwas häufiger als Biden. Der peinlichste Fehler unterlief Palin, als sie den kommandierenden General in Afghanistan "McClellan" nannte. Sie meinte David McKiernan.

"Gehen Sie mal am Samstag zu einem Fußballspiel"

Inhaltlich brachte die Debatte keine Überraschungen: Biden machte die Regierung von George W. Bush für den wirtschaftlichen "Alptraum" verantwortlich, den Amerika derzeit erlebe. Palin warf dem Demokraten Barack Obama vor, die Steuern erhöhen zu wollen. Biden versuchte, den Republikaner John McCain als jemanden darzustellen, der von Wirtschaft keine Ahnung hat. "Es ist zwei Montage her, da sagte John McCain morgens um 9.00 Uhr, die Grundlagen unserer Wirtschaft seien stark. Um 11.00 Uhr am selben Tag sagte John McCain, dass wir eine Wirtschaftskrise haben. Das macht John McCain nicht zu einem schlechten Menschen, aber es zeigt, dass er keine Ahnung hat."

Palin dagegen versuchte, sich selbst als normale Durchschnittsmutter zu präsentieren, die die Alltagsnöte der einfachen Leute kennt. "Gehen Sie mal am Samstag zu einem Fußballspiel und fragen irgendwelche Eltern an der Seitenlinie: 'Was denken Sie über die Wirtschaft?'. Und ich wette, sie werden Angst in den Stimmen der Eltern hören".

Einigen Fragen von PBS-Moderatorin Gwen Ifill wich Palin aus, um über Themen ihrer Wahl zu sprechen. Auf die Frage nach einer Exit-Strategie im Irak pries Palin McCains Unterstützung für die Truppenaufstockung und nannte den kommandierenden General im Irak, David Petraeus, einen "großen amerikanischen Helden".

Beim Thema Klimawandel zeigte Palin sich als typische Republikanerin. Sie sagte, sie gehöre nicht zu denen, die "jedes Handeln des Menschen" mit dem Wandel des Klimas in Verbindung setzen. "Manches spricht auch für menschliche Ursachen, aber auch für den zyklischen Temperaturwandel auf unserem Planeten", sagte Palin. Biden antwortete: "Wenn Sie nicht verstehen, was die Ursache ist, können Sie keine Lösung finden."

"Zu viel Vergangenheit"

Palin war zweifellos gut vorbereitet. Gegen Ende der Debatte schaffte sie es noch, einen knackigen Spruch unterzubringen. Eigentlich ging es gerade um Israel; der passende Kontext wäre Irak gewesen. Doch Palin schlug zu. In Reaktion auf Bidens Kritik an der Nahost-Politik der Bush-Regierung sagte sie, im Krieg - sie meinte offensichtlich den Irak-Krieg - seien "grobe Schnitzer" gemacht worden, die Regierung habe in ihrer Amtszeit wie jede andere auch "grobe Schnitzer" gemacht. "Aber für Bewerber, die über Wandel sprechen und in die Zukunft schauen wollen, zeigen Sie zu viel mit dem Finger in die Vergangenheit".

"Die Vergangenheit ist die Vorgeschichte", konterte Biden. Es sei wichtig, auf die Probleme der Bush-Regierung hinzuweisen, denn bislang sei McCains Politik dieselbe gewesen wie die von George W. Bush, "und Sie wissen, wohin uns das geführt hat".

Eine Blitzumfrage von CNN zeigt, dass die meisten Zuschauer Biden als Sieger des Duells ansehen. 51 Prozent der Befragten sagten, Biden habe sich besser geschlagen; von Palin glaubten dies nur 36 Prozent. Allerdings konnte Palin Sympathiepunkte sammeln: 54 Prozent sagten, sie sei sympathischer gewesen, Biden hielten nur 36 Prozent für den sympathischeren. 70 Prozent sagten, Biden sei eher ein typischer Politiker. 84 Prozent sagte, Palin sei besser gewesen als sie erwartet hatten. Von Biden sagten dies allerdings immerhin 64 Prozent.

Eine weitere TV-Debatte zwischen Palin und Biden wird es nicht geben. Es dürfte allerdings weitere TV-Auftritte von Sarah Palin geben. Dann wird sich zeigen, ob sie den Standard der Debatte halten kann. Gewählt wird am 4. November.

Quelle: ntv.de

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