Nach Missbrauchsvorwürfen Papst unterstützt Bischöfe
12.03.2010, 18:07 UhrPapst Benedikt XVI. unterstützt voll und ganz die von der Bischofskonferenz auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Aufklärung früherer und Verhinderung künftiger Missbrauchsfälle. Er ermuntert die Bischöfe ausdrücklich, auf dem Weg fortzufahren.

Zollitsch holt sich den Segen für die Aufarbeitung des Skandals durch die Kirche selbst.
(Foto: dpa)
Papst Benedikt XVI. stärkt den deutschen Bischöfen mit ihrem Aktionsprogramm gegen sexuellen Missbrauch den Rücken. "Mit großer Betroffenheit und tiefer Erschütterung hat der Heilige Vater meinen Bericht zur Kenntnis genommen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Robert Zollitsch. Der Erzbischof hatte das Oberhaupt der Katholiken zuvor im Vatikan über die Fülle früherer Missbrauchsfälle informiert. "Aus dem heutigen Gespräch gehe ich gestärkt hervor und bin zuversichtlich, dass wir auf dem Weg vorankommen, die Wunden der Vergangenheit zu heilen."
Liste wird immer länger
Unterdessen wurde bekannt, dass Benedikt XVI. 1980 in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising der Versetzung eines wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteten Priesters nach München zustimmte. Demnach müsse der damalige Erzbischof Ratzinger bereits damals von den Missbrauchsfällen unter dem Dach der katholischen Kirche gewusst haben.
Derweil wird die Serie der Vorwürfe immer länger. Im Erzbistum Paderborn belastete ein Ex-Schüler den damaligen Leiter des inzwischen geschlossenen Internats am "Collegium Aloysianum". In Mainz ließ das Bistum einen vorbestraften Sexualtäter in den 1970er Jahren wieder auf Schüler los. Ein ehemaliger Erzieher der Stiftsschule Amöneburg (Hessen) gestand nach Angaben des Bistums Fulda, dass er 1976 zwei Internatsschüler missbraucht hatte. Das Bistum Würzburg beurlaubte einen weiteren Priester. Im Bistum Essen wurde ein früherer Domkapitular wegen sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen zu einer Geldstrafe verurteilt.
Bitte um Vergebung
"Wir nehmen unsere Verantwortung sehr deutlich wahr", betonte Zollitsch nach der 45-Minuten-Audienz. Doch gebe es in Deutschland Fälle weit über die Kirche hinaus. Ziel müsse es jetzt sein, "die Wunden der Vergangenheit zu heilen und mögliche neue Wunden zu vermeiden". Zollitsch bat die Opfer erneut um Vergebung.
Zollitsch reagierte auch auf eine Äußerung des Regensburger Bischofs Gerhard Müller, wonach die katholische Kirche in Deutschland die Lage selbst bewältigen könne. "Wir wollen die Wahrheit aufdecken, die Opfer haben ein Recht darauf", sagte der Erzbischof. "Wir gehen der Sache intensiv nach, aus eigener Kraft."
Missbrauchsfälle seien kein spezielles Problem der Kirche, doch habe diese eine besondere moralische Verantwortung, betonte Zollitsch. Mit dem Zölibat, der Ehelosigkeit der Priester, hätten die Missbrauchsfälle nach Ansicht aller Fachleute nichts zu tun.
"Zölibat abschaffen"
Das sieht der Literatur-Nobelpreisträger Günter Grass anders. Er will die katholische Kirche nicht nur per Gesetz zur umgehenden Mitteilung von Verdachtsfällen an die Staatsanwaltschaft zwingen, sondern empfahl die Abschaffung des Zölibats. Grass hielt der Kirche vor, nicht aus sich selbst heraus reformfähig zu sein. Wie andere Ideologien - Kommunismus und Kapitalismus - sei auch der Katholizismus Gefangener des eigenen Dogmas. "Diese Art von Unbeweglichkeit und Nicht-Wahrnehmen-Wollen von sich verändernder Wirklichkeit, dieses nahezu infantile Festhalten am Kondomverbot und einer Sündenauffassung innerhalb des Sexualbereiches, diese Verklemmtheit hat einerseits Fälle zur Folge, wie sie jetzt ans Licht kommen, zeigt aber zum anderen die Unfähigkeit zu einer grundsätzlichen Reform."
Das Heiratsverbot für Priester (Zölibat) müsste abgeschafft werden, forderte Grass. "Anfälligkeiten für Kindesmissbrauch gibt es überall dort, wo Menschen mit Kindern zu tun haben, aber verschärft wird es durch das Zölibat."
"Null Toleranz"
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF fordert "Null Toleranz" bei sexuellem Missbrauch von Kindern. Strafrechtlich relevante Vorwürfe müssten konsequent polizeilich verfolgt und nicht nur "intern" behandelt werden, heißt es in einer in Köln veröffentlichten Erklärung. Die Verjährung im Zivilrecht nach drei Jahren sollte mindestens auf zehn Jahre verlängert und damit dem Strafrecht angepasst werden. So könnten Opfer Schadenersatzansprüche auch noch nach dieser Zeit geltend machen.
Zur Wiedergutmachung erklärte Zollitsch, die Bischöfe würden beraten, ob weitere Hilfen für Opfer möglich seien. In der Aufarbeitung habe man das Vertrauen der Bundeskanzlerin und der Familienministerin. Man sei auch dabei, mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ein Gespräch zu vereinbaren. Sie hatte die Kirche scharf kritisiert. Opfer-Hilfsorganisationen wollen ebenfalls an den geplanten Runden Tischen teilnehmen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP