Politik

Druck auf Dänemark wächst Paris: Abhör-Vorwürfe "extrem gravierend"

Kanzlerin Merkel sowie weitere deutsche Spitzenpolitiker sollen von der NSA abgehört worden sein - mit der Hilfe Dänemarks. Berlin hält sich mit einer Bewertung zurück. In Paris werden unterdessen schärfere Worte gewählt. Kopenhagen distanziert sich unterdessen vom Abhören Verbündeter.

Nach der Enthüllung von mutmaßlichen Spionage-Aktivitäten zur Unterstützung der USA wächst der Druck auf Dänemark. Frankreichs Europaminister Clément Beaune nannte die Vorwürfe "extrem gravierend". Sollten sie zutreffen, werde es "Konsequenzen für die Zusammenarbeit haben", betonte Beaune. "Wir müssen sehen, ob die Dänen als unsere EU-Partner Fehler in der Zusammenarbeit mit den US-Diensten gemacht haben." Zwischen Verbündeten müsse es "Vertrauen" geben.

Unterdessen distanzierte sich die dänische Regierung von dem mutmaßlichen Abhör-Skandal: Die jetzige Regierung sei derselben Ansicht, wie sie der frühere Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen bereits 2013 und 2014 geäußert habe, teilte Verteidigungsministerin Trine Bramsen mit. "Systematisches Abhören enger Verbündeter ist inakzeptabel." In Berlin sagte Regierungssprecher Steffen Seibert dazu: "Ihrer grundsätzlichen Bewertung schließen wir uns an."

Die Bundesregierung habe die Berichterstattung zur Kenntnis genommen, sagte Seibert weiter. "Sie steht zur Aufklärung mit allen relevanten nationalen wie internationalen Stellen im Kontakt." Die Bundesregierung nehme grundsätzlich zu etwaigen nachrichtendienstlichen Tätigkeiten nicht öffentlich Stellung - "und damit ist keine Aussage getroffen, ob ein Sachverhalt zutreffend ist oder nicht". Seibert betonte, Merkel habe erst durch die Anfrage der recherchierenden Journalisten von dem Thema erfahren. Dänemarks Nachbarländer Schweden und Norwegen forderten eine Klärung der Vorwürfe.

Hintergrund sind Medienberichte, wonach Dänemark den USA bei der Bespitzelung unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel geholfen haben soll. Der Dänische Rundfunk (DR) und deutsche Medien wie NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" berichteten, der dänische Auslands- und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) habe dem US-Geheimdienst NSA die Nutzung einer geheimen Abhörstation in der Nähe von Kopenhagen ermöglicht.

Auch Steinmeier abgehört?

Von dort sollen in den Jahren 2012 bis 2014 europäische Politiker. Unter den Belauschten waren laut den Berichten neben der Bundeskanzlerin auch der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sowie Spitzenpolitiker aus Schweden, Norwegen und Frankreich. Verteidigungsministerin Bramsen teilte mit, zu Spekulationen über mögliche geheimdienstliche Angelegenheiten äußere man sich nicht. Der dänische Militärnachrichtendienst wollte die Berichte auf Anfrage ebenfalls nicht kommentieren.

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Der Whistleblower Edward Snowden hatte 2013 die massenhafte und weltweite Ausspähung durch die NSA enthüllt. Neun Quellen haben dem DR nun unabhängig voneinander bestätigt, dass das Abhören mithilfe des dänischen Militärnachrichtendienstes FE stattgefunden habe. Wie die beteiligten Medien berichteten, griff die NSA die Telefone der Politiker offenbar über ein vom FE betriebenes Spähprogramm an. Das Ausmaß der dänisch-amerikanischen Zusammenarbeit ist nach Informationen der Rechercheure bislang nicht bekannt gewesen - auch nicht, dass neben Merkel und Steinmeier auch Steinbrück zu den Abgehörten zählte.

Innerhalb des FE wurde den Berichten zufolge eine heimliche, interne Untersuchung namens "Operation Dunhammer" (Operation Rohrkolben) zu der US-Spionage mittels in Dänemark endender Unterseekabel durchgeführt, zu der eine Arbeitsgruppe 2015 einen geheimen Bericht vorlegte. Ein Ergebnis des Dunhammer-Berichts ist laut DR-Angaben, dass die NSA durch die dänisch-amerikanische Zusammenarbeit zielgerichtet Daten von norwegischen, schwedischen, deutschen und französischen Politikern eingesammelt hat. Nach Recherchen von SZ, NDR und WDR haben die Dänen ihre deutschen Gegenüber oder die Bundesregierung nicht über die Ergebnisse informiert.

Quelle: ntv.de, kst/dpa/AFP

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