"Ausstieg mit sozialem Augenmaß" Parteien streiten über Kosten
12.04.2011, 09:41 Uhr
Vor dem Atomkraftwerk Biblis.
(Foto: dpa)
Nach dem womöglich größten Atomunfall aller Zeiten scheint ein baldiger Ausstieg aus der Kernkraft in Deutschland Konsens zu sein. Gestritten wird hingegen über Restlaufzeiten und die Kosten für einen schnelleren Ausstieg. Neues Leitbild könnte dabei die "Energiewende mit sozialem Augenmaß" werden.
Die Mehrausgaben des Bundes für einen Ausstieg aus der Atomkraft sollten aus Sicht der FDP durch Einsparungen im Haushalt finanziert werden. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Otto Fricke, mahnte, den Koalitionsvertrag einzuhalten und Mehrausgaben durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen.

Der deutsche Schriftsteller Günter Grass bei der Protestaktion "Lesen ohne Atomstrom" vor dem AKW Krümmel in Geesthacht.
(Foto: dpa)
Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider warnte vor einem überhasteten Ausstieg aus der Atomenergie, da dadurch Wirtschaft und Verbraucher über Gebühr finanziell belastet würden. Wenn er Kosten sage, denke an die Kosten für den Staat, aber vor allem auch für die Industrie – Chemie aber auch Papier, Metallindustrie – und für den Verbraucher.
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verweist auf Analysen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie wirtschaftlich vorteilhaft sein werde. Der Umstieg bedeute mehr Effizienz und damit Kostenersparnis. Auch entstünden neue Arbeitsplätze. Schon heute seien 370.000 Menschen im Bereich erneuerbarer Energien tätig. Röttgen räumte aber mit Blick auf die geplante Energiewende ein: "Das ist nicht zum Nulltarif zu haben." Der Strompreis habe auch eine soziale Dimension. Das werde man beachten müssen.
Chancen und Risiken abwägen
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen plädiert dafür, bei der Energiewende sozialpolitische Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren. "Ökonomische Chancen und ökonomische Risiken dabei müssen gerecht verteilt sein", sagte sie. Die Energiewende müssten alle in diesem Land gemeinsam bezahlen. Sie werde darauf achten, dass die kleinen Einkommen nicht die größte Last tragen werden. Gefragt sei ein Umsteuerungsprozess "mit Augenmaß".
CSU will den Grünen das Thema wegnehmen
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt hält einen "Überbietungswettbewerb mit Jahreszahlen" für wenig hilfreich. "Wir arbeiten an einem Gesamtkonzept, mit dem wir Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Bezahlbarkeit gewährleisten." Ein beschleunigter Umstieg auf Erneuerbare Energien habe seinen Preis, "allein schon wegen der nötigen hohen Investitionen in neue Leitungen, in Energiespeicher und in die Stromerzeugung".
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warf den Grünen vor, unterhalb ihrer Anti-Kernkraft-Haltung ohne Substanz zu sein. Die Energiewende rechtfertigte er als Chance, den Grünen ihr Kernthema zu nehmen. Man dürfe langfristig nicht zulassen, dass eine Technologie die Parteienlandschaft so grundlegend verändere, wie die Atomenergie das getan habe.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP