Hongkongs Regierung rudert zurück Patriotismus-Unterricht fällt aus
09.09.2012, 09:58 Uhr
Zehntausende Menschen in Hongkong protestierten gegen die Pläne Leungs.
(Foto: REUTERS)
Die Empörung ist riesig. Die Regierung in Hongkong will ein neues Schulfach einführen: Patriotismus. Daraufhin gehen Zehntausende auf die Straße. Sie brandmarken die Pläne als Gehirnwäsche. Der Protest hat Erfolg. Kurz vor der Wahl zieht der umstrittene Regierungschef Leung sein Vorhaben zurück.

Stellt den Schulen nun frei, ob sie Patriotismus lehren oder nicht: Regierungschef Leung.
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Vor der Parlamentswahl in Hongkong hat die Regierung ihren umstrittenen Plan für ein verpflichtendes patriotisches Unterrichtsfach in der südchinesischen Sonderverwaltungszone zurückgezogen. Es sei den Schulen nun gänzlich freigestellt, ob sie das Fach einführten oder nicht, sagte der Regierungschef des halbautonomen Gebiets, Leung Chun Yin. Leung erklärte, er habe die Kritik der Öffentlichkeit verstanden und angenommen.
Der von der chinesischen Regierung unterstützte Gouverneur der ehemaligen britischen Kronkolonie, Leung Chun-Ying, reagierte damit auf wochenlange Proteste von Zehntausenden Bewohnern Hongkongs. Zehntausende Menschen hatten in den Wochen zuvor gegen den Plan demonstriert. Einige Schüler traten sogar in einen Hungerstreik.
Lehrer, Eltern und Schüler hatten das für 2015 geplante Vorhaben als eine von der Kommunistischen Partei der Volksrepublik initiierte Hirnwäsche Hongkonger Schüler gebrandmarkt. Sie hatten vor allem moniert, dass im Unterricht negative Aspekte der chinesischen Herrschaft ausgeblendet werden könnten.
69 Prozent dagegen
Die Peking-treue Regierung wollte die Patriotismusstunden in Hongkong mit dem neuen Schuljahr zunächst auf freiwilliger Basis einführen. Ab dem Jahr 2016 sollte das Fach, das offenbar einer zunehmend anti-chinesischen Stimmung entgegen wirken sollte, dann an den Schulen Pflicht werden. Laut einer Umfrage waren 69 Prozent der Schüler dagegen. Kritiker monierten, die Kinder in der Wirtschaftsmetropole sollten mit chinesischer Propaganda infiltriert werden. Geschichtliche Ereignisse wie die Niederschlagung der Proteste des Jahres 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking würden in dem Unterrichtsfach vertuscht.
Der am 1. Juli angetretene Leung steht in Hongkong nicht nur wegen der Bildungspolitik in der Schusslinie. Die Bewohner machen ihn unter anderem auch für die rasant steigenden Immobilienpreise verantwortlich. Großbritannien hatte die ehemalige Kronkolonie 1997 vertragsgemäß an China zurückgegeben, Hongkong verteidigt seither seine relative Unabhängigkeit energisch.
In Hongkong finden am Sonntag Parlamentswahlen statt. Knapp 3,5 Millionen Menschen sind aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Mit Ergebnissen ist erst am Montag zu rechnen. Bislang halten die Demokraten dort 23 der 70 Sitze. Um ein Vetorecht bei Verfassungsreformen zu erhalten, müssen sie mindestens einen Sitz hinzugewinnen. In Hongkong gilt kein allgemeines Wahlrecht, obwohl dies den Bewohnern bei der Unabhängigkeit in Aussicht gestellt wurde. Gegenwärtig werden 40 Abgeordnete für vier Jahre direkt gewählt, die anderen bestimmen Interessengruppen, die größtenteils Peking-treu sind. Im Jahr 2017 soll erstmals der Regierungschef direkt gewählt werden, drei Jahre später auch das Parlament.
Quelle: ntv.de, AFP/rts