Vom Kaschmir-Konflikt zum Krieg Plant Indien Angriff?
06.06.2002, 07:58 UhrIn der Kaschmir-Region könnte aus dem schwelenden Konflikt möglicherweise sehr schnell ein Krieg werden. Das indische Militär will das benachbarte Pakistan nach Informationen des in London erscheinenden "Daily Telegraph" binnen 14 Tagen angreifen. Es warte nur noch auf die "endgültige Genehmigung" der Regierung, berichtete die britische Zeitung am Donnerstag unter Berufung auf ranghohe Quellen beim indischen Militär.
Die Armee wolle unbedingt noch Mitte dieses Monats losschlagen, bevor im Juli heftige Monsunregen einsetzten. Die Führung der Streitkräfte sei sich dabei sicher, dass ein Atomkrieg verhindert werden könne. Ein Offizier wurde mit den Worten zitiert, die Gefahr eines Atomkrieges sei denkbar gering: "Wir werden Pakistans Atom-Bluff enthüllen", sagte er. Die Drohung mit der Atombombe könne sie nicht abschrecken.
Die Militäraktion sei auf nur eine Woche angelegt, da die Armee damit rechne, dass der Druck der USA und anderer Großmächte dann einen Waffenstillstand erzwingen werde, berichtete das Blatt. Ähnlich wie die USA in Afghanistan wollen die Inder die Lager militanter Islamisten im pakistanischen Teil von Kaschmir zunächst aus der Luft bombardieren und dann Spezialtruppen mit Hubschraubern absetzen.
Pakistan bittet um Hilfe
Pakistan hat die Arabische Liga um Vermittlung im Konflikt mit Indien gebeten. Die Kriegsgefahr drohe sonst auf andere Staaten in der Region überzugreifen, sagte der Sondergesandte und frühere pakistanische Präsident Farooq Ahmad Khan Leghari am Donnerstag. Er rief die 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga auf, ihre guten Beziehungen zu den Konfliktpartnern zu nutzen und zu einer Beilegung der Krise beizutragen. Im Falle eines Krieges „wird es keinen Gewinner geben, dann werden wir beide Verlierer sein“, sagte Leghari am Sitz der Liga in Kairo.
USA drängen Indien und Pakistan zu Gesprächen
Inzwischen haben sich die USA massiv in den Konflikt eingeschaltet: Der stellvertretende US-Außenminister Richard Armitage kam in Islamabad mit dem pakistanischen Militärmachthaber Pervez Musharraf und Außenminister Abdul Sattar zusammen. Im Anschluss an das Gespräch, sagte Armitage, Musharraf habe zugesichert, "dass er nicht derjenige sein wird, der einen Krieg beginnt". Er hoffe auf dieselbe Art von Zusicherungen in Dehli.
Armitage wird am Freitag nach Indien weiterreisen. Sein Besuch ist der Auftakt zu direkten Vermittlungen der US-Regierung in der Region. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wird nach Zwischenstopps in Europa ebenfalls noch in dieser Woche im Krisengebiet erwartet.
US-Präsident George W. Bush hatte zuvor in Telefonaten mit dem indischen Regierungschef Atal Behari Vajpayee und dem pakistanischen Präsidenten Musharraf auf eine diplomatische Lösung des Kaschmir-Konflikts gedrungen. Wie Bush-Sprecher Ari Fleischer weiter sagte, bekräftigte der Präsident gegenüber Musharraf die Erwartung, dass Pakistan entsprechend seiner Verpflichtung jede Unterstützung des Terrorismus einstellt. An Vajpayee appellierte Bush, mit Schritten zur Entschärfung der Lage zu antworten.
Tote auf beiden Seiten
Bei neuen Artilleriegefechten zwischen den beiden Atommächten sind nach pakistanischen Angaben 2 Mädchen getötet worden. Indien bestätigte die Gefechte im Distrikt Rajouri im Süden des indischen Bundesstaats Jammu und Kaschmir. Im indischen Teil Kaschmirs kamen seit Mittwoch 15 Menschen ums Leben.
Quelle: ntv.de