Union gegen Transparenz Politiker im Hunzinger-Sog
24.07.2002, 07:22 UhrDie Unions-Bundestagsfraktion lehnt eine Verschärfung der Offenlegungspflicht für Nebeneinnahmen von Bundestagsabgeordneten noch vor der Wahl im September ab. "Das Thema ist zu wichtig, um es durchzupeitschen ", zitierte das "Handelsblatt " einen Sprecher der Unions-Fraktion. Zudem herrsche in der Union der Eindruck, SPD und Grüne wollten das Thema für Wahlkampfzwecke missbrauchen. Auch die FDP will die Angelegenheit erst in der nächsten Legislaturperiode behandeln.
Die SPD hatte die Verschärfung der Offenlegungspflicht als Konsequenz aus den Verwicklungen um Hunzinger vorgeschlagen. Künftig sollten die Parlamentarier alle Nebeneinkünfte, Tätigkeiten und Beteiligungen an Kapital- und Personengesellschaften im Bundestagshandbuch offen legen. Bisher musste dies nur intern dem Bundestagspräsidenten angezeigt werden. Die Informationen sollen auch per Internet abrufbar sein.
Ermittlungen gegen Scharping
Nach Informationen des Magazins "stern" nahm die Koblenzer Steuerfahndung inzwischen gegen den entlassenen Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) Vorermittlungen auf. Die Behörde habe Scharpings Akten beim zuständigen Finanzamt St. Goarshausen angefordert, um zu prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung eingeleitet werden müsse, berichtet das Magazin.
Hintergrund sollen die Zahlungen des PR-Unternehmers Moritz Hunzinger an Scharping sein. Die Steuerfahndung wolle prüfen, ob Scharping die Zahlungen Hunzingers sowie einen Aktien-Spekulationsgewinn von rund 20.000 DM korrekt versteuert habe, schreibt der "Stern". Zudem gehe es um die Frage, ob der SPD-Politiker für einen Kleiderkauf in Höhe von knapp 55.000 DM, den der PR-Unternehmer finanziert haben soll, 17 Prozent Schenkungssteuer bezahlt habe. Das Finanzamt Koblenz wollte sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht zu der Darstellung äußern.
Vermittelte Merz für Hunzinger?
Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) pflegte unterdessen laut "Stern" wesentliche engere Kontakte zu Hunzinger als bislang zugegeben. So soll der PR-Unternehmer den damaligen Europaabgeordneten Merz 1993 eingeschaltet haben, um für zwei Rüstungsfirmen einen Gesprächstermin beim damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zu erhalten. Dabei soll es unter anderem um den geplanten Export von Spürpanzern und U-Booten gegangen sein.
Merz dementierte die Meldung umgehend. Der Bericht des "Stern " sei "schlicht falsch". "Ich habe weder zu diesem Zeitpunkt noch früher oder später Termine für Vertreter der deutschen Industrie mit Bundeskanzler Helmut Kohl vermittelt", sagte Merz. Gleichwohl räumte er ein: "Ich kenne Moritz Hunzinger seit etwa zehn Jahren und habe verschiedentlich an seinen parlamentarischen Abenden teilgenommen."
Auch der frühere Bundeswirtschaftsminister Günther Rexrodt (FDP) unterhielt den "Stern"-Recherchen zufolge enge Kontakte zu Hunzinger. Das Magazin zitiert aus einem wenig vor dem Amtsantritt Rexrodts verfassten Schreiben Hunzingers: "Mit einigem Glück heißt der neue Bundeswirtschaftsminister Dr. Günther Rexrodt. Das wäre für uns hervorragend, da zu ihm eine besonders qualifizierte Beziehung besteht, die sich bewährt hat."
Schipanski bekam nochmals Geld
Thüringens Wissenschaftsministerin Dagmar Schipanski (CDU) hat für mindestens einen weiteren Vortrag Geld von Hunzinger bekommen. "Sie hat ein Honorar bekommen und es ordnungsgemäß versteuert", bestätigte Schipanskis Sprecherin einen Bericht der "Thüringer Allgemeinen". Bei dem jetzt bekannten Vortrag habe es sich um einen parlamentarischen Abend der Degussa AG gehandelt. Bereits am Vortag war bekannt geworden, dass Hunzinger der Thüringer CDU für ein Referat Schipanskis bei einer Microsoft-Veranstaltung Geld gezahlt hatte.
Verhaltenskodex für Lobbyisten?
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) forderte einen Ehrenkodex für Lobbyisten. Auch wenn Lobbyismus unersetzlich sei, habe das, was in den vergangenen Tagen über Hunzingers Arbeit bekannt geworden sei, nichts mehr damit zu tun, sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Mit Verfügungsbefugnissen über Konten wie im Falle von Scharping werde die Grenze zu unsauberer Lobbyarbeit überschritten.
Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) kündigte an, sie wolle Leitlinien für eine klare Trennung zwischen klassischer Öffentlichkeitsarbeit, Lobbytätigkeit und Beziehungsmanagement erarbeiten. "Wir brauchen mehr Transparenz und klare Verhaltensregeln für die Lobbyarbeit", sagte DPRG-Präsident Jürgen Pitzer zur Begründung.
Quelle: ntv.de