"Geschwätzigkeit muss aufhören" Politiker suchen ihr Profil
08.08.2011, 10:37 Uhr
Aigner und Steinmeier: Politiker müssen auf die veränderte Medienwelt reagieren.
(Foto: dpa)
Politiker sind immer stärker Getriebene ihrer Zeit - vielmehr ihres Zeitmangels. Obendrein setzt sie die veränderte Medienwelt unter Druck. Die CSU-Frau Aigner und der SPD-Mann Steinmeier ziehen da ähnliche Schlüsse.
CSU-Bundesministerin Ilse Aigner hat "Durchstecherei und Geschwätzigkeit" in der schwarz-gelben Koalition kritisiert. In Berlin mahnte sie auch einen respektvolleren Umgang mit Politikern anderer Parteien an. "Wir müssen unsere politischen Gegner inhaltlich stellen statt sie pauschal als Deppen zu verunglimpfen. Am Ende fällt so etwas auf alle in der Politik zurück."
Aigner sagte: "Ich habe die große Befürchtung, dass die Demokratie leiden wird und irgendwann einmal auch in Deutschland Typen Fuß fassen könnten, die einfache, aber radikale Botschaften verkünden. Das ist eine ständige Gefahr für alle Demokratien Europas." Zugleich beschrieb sie die veränderte Medienwelt mit ihrem immer schnelleren Umschlag von Berichten als Schwierigkeit für Politiker. "Ein Problem ist noch nicht richtig aufgetreten, da müssen wir schon auf jede hypothetische Frage die Antwort haben."
Die vergangenen Monate bezeichnete die Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als außergewöhnliche Belastung für die Politik. "Ich bin seit 1998 im Bundestag. So eine Phase habe ich noch nicht erlebt – die Revolutionen in Nordafrika, Fukushima, Eurokrise, Dioxin und EHEC. Es ist eine fordernde Zeit für uns alle."
Steinmeiner: "Zurückhaltung kann auch schaden"
Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte: "Vor 20 Jahren haben uns Nachrichten aus fernen Ländern oft erst erreicht, wenn die Probleme bereits gelöst waren. Je mehr uns die Welt auf die Pelle rückt, desto schneller müssen wir reagieren." Das Geschäft der Medien habe sich grundlegend geändert.
Spätestens mit dem Regierungsumzug von Bonn nach Berlin seien neue elektronische, private Medien entstanden, die eine neue Dynamik und eine höhere Umschlagzeit in den Betrieb gebracht hätten, sagte er. Die zweite Welle sei das Internet gewesen. "Die Zeit für Recherche in den Medien ist zurückgegangen. Zeit zum Nachdenken gibt es weniger. Der analytisch bewertende Artikel hat seltener Platz. Das Schnelle, Zugespitzte hat ihm den Rang abgelaufen. Der ökonomische Druck hat der Jagd nach der Schlagzeile höchste Priorität verschafft." Steinmeier betonte: "Ich springe nicht auf jeden Zug auf, bin nicht in jedem Fernsehformat. Es tut einem aber nicht immer gut."
Aigner: "Ich mache das nicht mit"
Aigner findet ebenso, die veränderte Medienlandschaft mit einer Vielzahl an elektronischen Medien und dem Internet mit seinem Archiv für die Ewigkeit habe auch die Politik verändert. Verbände und Lobbygruppen konkurrierten um Aufmerksamkeit. "Leider muss man feststellen, dass Durchstecherei und Geschwätzigkeit auch im politischen Betrieb zugenommen haben. Manche lassen sich gern dazu hinreißen, den Mechanismen des Medienbetriebs zu entsprechen: Nur wer attackiert und kritisiert, kommt vor. Ich mache das nicht mit."
Sie warnte: "Wenn die christlich-liberale Regierung ein Bild der Zwietracht abgibt, werden sich die Menschen abwenden. Deshalb müssen die Dissonanzen endgültig aufhören, auch in der zweiten und dritten Reihe." Jeder in der Koalition wisse: "Die Zeit ist endlich. Wenn es uns nicht gelingt, unsere Erfolge, die wir zweifellos haben, stärker herauszustellen, sind wir in zwei Jahren nicht mehr dabei."
Quelle: ntv.de, dpa