Luisa Neubauer wird weggetragen Polizei räumt, Widerstand in Lützerath bröckelt
12.01.2023, 18:22 Uhr
Klimaaktivistin Luisa Neubauer wurde von Polizisten weggetragen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Polizei in Lützerath räumt weiterhin Protestcamps und letzte Wohngebäude, Barrikaden und Baumhäuser werden zerstört. Protestierende, darunter Luisa Neubauer, werden weggetragen. Derweil entlädt sich die Wut gegen die Grünen, in Düsseldorf wird die Parteizentrale besetzt, in Leipzig fliegen Steine.
Die Polizei ist mit der Räumung des rheinischen Braunkohleorts Lützerath auch am zweiten Tag zügig vorangekommen. Zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten wurden von Baggern dem Erdboden gleichgemacht. Die Besetzer ließen sich meist ohne große Gegenwehr wegtragen. Auch die ersten symbolträchtigen Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort leisteten die Besetzer teilweise stärkeren Widerstand. Es flogen Feuerwerkskörper in Richtung der Einsatzkräfte, wie berichtet wurde. Auf der politischen Bühne stellt die Räumung von Lützerath die Grünen weiter vor eine Zerreißprobe.
Der Energiekonzern RWE, dem Lützerath inzwischen gehört und der die Braunkohle unter dem Ort für die Stromerzeugung gewinnen will, baute einen massiven Zaun rund um den kompletten Ort. So sollte die Anreise weiterer Demonstranten verhindert werden. Trotzdem machte sich vom Nachbarort Keyenberg aus ein Demonstrationszug auf den Weg nach Lützerath. Die Polizei sprach von etwa 800 Teilnehmern. Einige Demonstranten wurden von der Polizei gestoppt, eingekreist und dann weggetragen, darunter Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser. "Wir wollen hier sitzenbleiben, bis wir weggetragen werden", hatte Neubauer zuvor gesagt. Ein Polizeisprecher sagte, die Teilnehmer seien auf dem Weg zur Tagebauabbruchkante gewesen. Dies sei gefährlich und habe durch die Polizei verhindert werden müssen. Die Demonstranten wollen den Abbau der Kohle unter Lützerath verhindern und warnen vor schwerwiegenden Folgen für das Klima durch die Kohle-Verbrennung.
Rauchbomben und Raketen gegen Polizei
Am Donnerstagmorgen mussten die Besetzer bereits den symbolträchtigen Duisserner Hof aufgeben, den der als "letzter Bauer von Lützerath" bekannt gewordene Besitzer bis zuletzt gegen die Enteignung verteidigt hatte. Das Gebäude war zu einem bildstarken Symbol des Widerstands gegen den Braunkohle-Tagebau Garzweiler geworden. Auch in einem zweiten Gebäude, dem sogenannten Paulahof, mit einer aufgemalten Regenbogen-Flagge auf der Fassade, begann die Räumung. Als die Polizei vorrückte, flogen Rauchbomben und Raketen in Richtung der Beamten. Außerdem ging die Polizei Hinweisen nach, dass Aktivisten unter der Erde eine Tunnelanlage gebaut haben könnten, um die Räumung zu behindern.
Doch Angriffe auf Polizeibeamte bleiben nach Einschätzung von Beobachtern die Ausnahme. Im Großen und Ganzen war der Protest gewaltfrei. Einige Aktivisten hatten sich mit Kleber in ihren Holzhütten festgeklebt, um der Polizei die Räumung zu erschweren. Beamte konnten sie aber schnell lösen. Eine Aktivistin hatte mit einem Autowrack einen Zufahrtsweg versperrt und ihre Füße durch das Bodenblech in die Straße einzementiert. "Wir haben Erfahrung mit Lock-ons aller Art", sagte ein Polizeisprecher. Auch aus den in bis zu zehn Meter Höhe errichteten Baumhäusern ließen sich Besetzer von Höhenrettern ohne große Gegenwehr nach unten holen. Anschließend schnitten Polizisten die Halteseile durch, sodass Baumhäuser krachend in die Tiefe stürzten und dort in viele Einzelteile zerbrachen, wie ein dpa-Reporter berichtete.
Sturm und Regen erschweren Situation
Ein Klimaaktivist, der in einem Baumhaus ausharrte, postete ein Video auf Twitter, in dem er seine Enttäuschung über die Baumfällarbeiten zum Ausdruck brachte. "Es ist bitter, bitter, bitter, dass während der Klimakrise Bäume gefällt werden, damit Braunkohle verbrannt werden kann, was den Planeten zerstört." Das stürmische und regnerische Wetter machte den Aktivisten zu schaffen. "Wir hoffen, dass der Sturm nicht noch stärker wird", sagte eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt". Die Situation sei für die Menschen in den Baumhäusern gefährlich. "Im Normalfall kommen sie bei Sturm runter." Wie viele Aktivisten noch in Lützerath sind, sagte sie nicht.
Für die Grünen wird die Räumung immer mehr zur Belastung: Sowohl im Bund als auch im Land NRW ist die Partei an der Regierungskoalition beteiligt und trägt die Erweiterung des Braunkohletagebaus Garzweiler mit. Aus Protest besetzten rund 30 Aktivisten die Parteizentrale der NRW-Grünen in Düsseldorf, wie ein Parteisprecher bestätigte. Die Parteispitze betont, dass im Gegenzug der Kohleausstieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wurde. Ein Parteibüro der Grünen in Leipzig ist wiederum attackiert worden. Nach Angaben der Polizei wurden Steine auf Fensterscheiben geworfen, die zu Bruch gingen. Die beiden betroffenen Landtagsabgeordneten Christin Melcher und Daniel Gerber erklärten, nach Zeugenaussagen habe sich die Attacke im Zuge einer Spontandemonstration zu Lützerath ereignet. An ein weiteres Gebäude der Grünen sei ein Graffiti geschmiert worden.
Wie lange die Räumung von Lützerath noch dauert, ist unklar. Von einem kurzfristigen Ende des Einsatzes ging die Polizei am Donnerstagnachmittag aber nicht aus. "Wir wissen nicht, wann der Einsatz zu Ende ist", sagte ein Polizeisprecher.
Quelle: ntv.de, als/dpa