Politik

"Riss durch die Stadt" "Pro Reli" scheitert in Berlin

In Berlin wird Religion weiterhin kein reguläres Schulfach sein - der vor drei Jahren eingeführte Ethikunterricht bleibt Pflicht. Ein Volksentscheid zur Aufwertung des Religionsunterrichts scheiterte am Sonntag.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis sprachen sich nur 14,2 Prozent der Wahlberechtigten oder 346.119 Bürger für den Gesetzentwurf der Initiative "Pro Reli" aus. Nötig wären eine Mehrheit unter den Abstimmenden gewesen und gleichzeitig mindestens 611.422 Ja-Stimmen - das sind 25 Prozent der Wahlberechtigten. Von den Berlinern, die an der Abstimmung teilnahmen, stimmten 51,3 Prozent oder 365.609 Wähler gegen die Initiative und nur 48,4 Prozent dafür. Die Beteiligung lag bei 29,2 Prozent.

Die Schüler werden damit auch künftig in der Mittelstufe den Ethik-Unterricht besuchen müssen. Der klassische Religionsunterricht bleibt freiwilliges Zusatzfach, das nach dem regulären Unterricht unterrichtet wird. Für die Beibehaltung von Ethik als Pflichtfach hatten sich die rot-rote Regierungskoalition sowie die Grünen ausgesprochen.

Ethik als Berliner Feldversuch

Der rot-rote Senat unter Leitung Wowereits führte Ethik vor drei Jahren ein, um die Integration von Schulkindern aus Einwandererfamilien - etwa aus der Türkei oder den arabischen Ländern - zu fördern. Kinder aus verschiedenen Kulturen und mit verschiedenen Religionen sollen laut Senat gemeinsam über Werte, Toleranz und Glauben sprechen. Gegen das Pflichtfach Ethik regte sich von Anfang an Widerstand bei der CDU, der FDP und den Kirchen.

"Man kann von einer Kluft sprechen"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, Bischof Wolfgang Huber, sprach von einem "Riss durch die Stadt". Der "Berliner Morgenpost" sagte er: "Man kann von einer Kluft sprechen. Es ist eine politische Aufgabe, dies nicht zu vertiefen." Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, appellierte an den Senat, nach einem Modell religiös-weltanschaulicher Bildung zu suchen, "das von einem breiten Konsens in der Gesellschaft getragen wird". Der "Pro Reli"-Vorsitzende Christoph Lehmann betonte: "Wir haben eine ganze Menge in dieser Stadt bewegt." Der Berliner Erzbischof Kardinal Georg Sterzinksy sagte, die Initiative habe "Mut gemacht, weiter zu kämpfen". Für "Pro Reli" hatte sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzt.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) war damit zum zweiten Mal bei einem Volksentscheid erfolgreich. Vor einem Jahr scheiterte die Abstimmung über den Flughafen Tempelhof.

Niedrigere Hürden für künftige Volksbegehren lehnte Wowereit ab. Er werde die geforderte Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten nicht verringern, sagte er am Sonntag im RBB. "Wenn beispielsweise nur mit zehn Prozent der Wahlberechtigten die Politik des Senats ausgehebelt werden könnte, dann wäre das eine komische Demokratie."

Kaum Interesse im Osten

Nur in einem der zwölf Berliner Bezirke erreichte der Volksentscheid die nötige Zustimmung von mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten: Im bürgerlichen Steglitz-Zehlendorf im Südwesten der Hauptstadt kamen 27,4 Prozent zusammen. Im östlichen Bezirk Marzahn-Hellersdorf beteiligten sich mit 4,9 Prozent der Stimmberechtigten die wenigsten Bürger. 77 Prozent der Teilnehmer stimmten hier mit Nein. In Berlin sind 32 Prozent aller Stimmberechtigten Mitglieder einer der beiden großen Kirchen.

Quelle: ntv.de

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