"Tibet ist nicht frei" Protest statt Propaganda
27.03.2008, 11:40 UhrBei dem sorgfältig reglementierten Besuch einer Gruppe ausländischer Journalisten in Lhasa ist es zu einem Zwischenfall gekommen. Eine Gruppe von rund 30 Mönchen nutzte die Visite der Korrespondenten in einem Tempel im Herzen der tibetischen Hauptstadt für eine Protestaktion gegen die chinesische Fremdherrschaft.
"Tibet ist nicht frei, Tibet ist nicht frei", rief ein junger Mönch, wie der Korrespondent der US-Nachrichtenagentur AP berichtete. Andere Mönche hätten gerufen, der Dalai Lama habe nichts mit den seit mehr als zwei Wochen anhaltenden Protesten zu tun. Auch ein Reporter der US-Zeitung "USA Today" berichtete, die Mönche hätten der chinesischen Regierung vorgeworfen, die Unwahrheit zu verbreiten und die Freiheit der Tibeter einzuschränken.
Der Zwischenfall ereignete sich während einer Pressekonferenz in dem für die Tibeter heiligen Tempel Jokhang. Die amtlichen Begleiter hätten die Journalisten aufgefordert, den Ort zu verlassen, und versucht, sie wegzuziehen. Der Platz vor dem Tempel war am 14. März Ausgangspunkt der Ausschreitungen in der tibetischen Hauptstadt. Das Außenministerium in Peking wollte sich zu der Protestaktion nicht äußern. Außenamtssprecher Qin Gang sagte nur, die Mehrheit der Tibeter, einschließlich der Mönche, lehnten separatistische Aktivitäten an und unterstützten die Wahrung der nationalen Einheit.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua erwähnte in einem Bericht von der organisierten Tour für die 26 ausgesuchten Journalisten von 19 Medien lediglich, dass eine Gruppe von Mönchen den Besuch "gestört" habe.
Nach den anti-chinesischen Protesten in Lhasa am 14. März hatte die Führung in Peking Journalisten aus der Region ausgewiesen. Deutsche Reporter wurden für die Reise nach Tibet nicht zugelassen. In der "Säuberungswelle" in Tibet wurden nach exiltibetischen Angaben bislang mehr als 1.200 Tibeter festgenommen. Rund 100 seien verschwunden.
Erster EU-Regierungschef boykottiert Olympia-Feier
Wegen der Situation in Tibet will Polens Regierungschef Donald Tusk der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in China fernbleiben. Er habe keine Absicht, an der Eröffnungszeremonie in Peking teilzunehmen, sagte Tusk der Zeitung "Dziennik". Die Anwesenheit von Politikern bei der Olympia-Eröffnung scheine ihm "unpassend", erläuterte der liberale Politiker. Die Zeitung betonte, dass Tusk der erste Chef einer europäischen Regierung sei, der angesichts der Lage in Tibet einen solchen "entschlossenen" Standpunkt eingenommen habe.
Der Vorsitzende der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, Bogdan Borusewicz, bestätigte unterdessen, dass er den Dalai Lama nach Polen eingeladen habe. Es gebe noch keine Antwort des religiösen Führers der Tibeter, sagte Borusewicz, der in den 80er Jahren zu den führenden Aktivisten der demokratischen Opposition in Polen zählte. Die Wochenzeitung "Tygodnik Powszechny" schlug in der neusten Ausgabe vor, polnische Sportler sollten aus Solidarität mit Tibet während der Olympischen Spiele in Peking das Abzeichen der Gewerkschaft "Solidarnosc" tragen.
Dalai Lama hofft auf japanische Vermittlung
Ein Vertreter des Dalai Lama in Japan rief die Regierung in Tokio zu einer Vermittlerrolle auf. "Wenn es auf Seiten der japanischen Regierung einen Willen dazu gäbe, könnte Japan eine positive Rolle spielen, die chinesische und tibetische Führung zusammenzubringen", sagte Lhakpa Tshoko, offizieller Repräsentant des Dalai Lama in Tokio. Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao wird in Kürze, möglicherweise im Mai, zu einem Besuch in Japan erwartet.
Human Rights Watch sieht UN in der Pflicht
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hat nach Ansicht von Human Rights Watch die Pflicht, sich mit der Tibet-Krise zu befassen. Es sei skandalös, wenn der Rat diejenigen zum Schweigen bringe, die sicherstellen wollten, dass das Gremium seine Arbeit tue, erklärte die Menschrechtsorganisation. Zwar hätten Australien, die EU, die Schweiz und die Vereinigten Staaten versucht, das Thema Menschrechtsverletzungen bei einer Sitzung des Rates zur Sprache zu bringen. Doch sei dies von China mit Unterstützung Algeriens, Kubas, Pakistans, Sri Lankas und Simbabwes verhindert worden.
Quelle: ntv.de