"Wir opfern uns für Gaza" Proteste im Westjordanland
02.01.2009, 14:34 UhrDie israelische Armee und die militanten Palästinenser im Gazastreifen haben ihre gegenseitigen Angriffe den siebten Tag in Folge fortgesetzt. Die israelische Luftwaffe beschoss nach Angaben einer Armeesprecherin mehr als 20 Ziele der radikalislamischen Hamas. Militante Palästinenser feuerten erneut Raketen auf Israel ab.
Bei Einschlägen von zwei Raketen in Wohnhäusern in der südisraelischen Stadt Aschkelon wurden nach Polizeiangaben zwei Israelis verletzt. Die Hamas rief alle Palästinenser nach dem traditionellen Freitagsgebet zu einem "Tag des Zorns" auf.
"Wir opfern uns für Gaza"
Im Westjordanland protestierten zehntausende Palästinenser gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen. Allein 3000 Anhänger und Sympathisanten der radikalislamischen Hamas demonstrierten in Ramallah.
Die Demonstranten riefen unter anderem: "Wir opfern uns für Gaza" oder verbrannten israelische Flaggen. Es kam zu vereinzelten Zusammenstößen mit Anhängern der rivalisierenden Fatah-Organisation von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Die Autonomiebehörde hatte nicht autorisierte Demonstrationen verboten. Israel hat das Westjordanland bis in die Nacht zum Sonntag aus Sorge vor Ausschreitungen abgeriegelt.
Die Hamas hatte zuvor Vergeltung für den Tod ihres Führers Nisar Rian geschworen. Rian hatte zum engsten Führungszirkel der Hamas gehört. Bei dem israelischen Raketenangriff waren nach palästinensischen Angaben Rian, dessen vier Frauen sowie elf seiner Kinder getötet worden. Nach Darstellung der israelischen Armee hatte Rian einen seiner Söhne zu einem Selbstmordanschlag auf eine jüdische Siedlung im Gazastreifen abkommandiert.
"Keine gezielten Tötungen"
Die israelische Armee wies Berichte zurück, wonach sie zu einer Politik der gezielten Tötung von Hamas-Führern zurückgekehrt sei. Die Luftwaffe greife Häuser an, die zur Hamas-Infrastruktur gehörten und in denen Raketen oder große Mengen an Sprengstoff gelagert würden, sagte eine Armeesprecherin am Freitag. Nach ihrer Darstellung hat die Armee auch die Bewohner des Hauses von Rian gewarnt. Israel hatte im Frühjahr 2004 als Reaktion auf eine Welle von Selbstmordattentaten die beiden Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin und Abdelasis al-Rantisi gezielt getötet.
Ausländer fliehen aus Gaza
Angesichts der drohenden Bodenoffensive wollen immer mehr Ausländer den Gazastreifen verlassen. Israel gestattete am Freitag mehr als 400 Personen die Ausreise über den Grenzübergang Erez. Nach Angaben des israelischen Rundfunks handelt es sich dabei um Ehefrauen von Palästinensern. Sie stammen vor allem aus Russland, der Ukraine oder Polen.
Hamas kündigt Selbstmordanschläge an
Hamas-Sprecher Ismail Radwan kündigte Selbstmordanschläge sowie Angriffe auf alle israelischen Ziele an. Nach den Worten von Radwan werden die israelischen Luftangriffe die Hamas nicht dazu bringen, "die weiße Fahne zu hissen".
Die Hamas rief die Fatah zur Einheit auf. "In solchen Zeiten muss man einig sein", sagte der Vizechef des Hamas-Politbüros, Mussa Abu Marsuk, dem Nachrichtensender Al-Arabija. "Wir sagen ja zum Dialog (mit Fatah)". Gleichzeitig forderte er Abbas auf, im Westjordanland inhaftierte Hamas-Angehörige freizulassen.
Mehr als 700 Angriffe
Seit Samstag hat die israelische Luftwaffe nach eigenen Angaben mehr als 700 Einsätze geflogen. Dabei wurden nach palästinensischen Angaben mindestens 430 Menschen getötet. Wie die Gesundheitsbehörde in Gaza mitteilte, wurden mindestens 2200 Menschen verletzt. 380 von ihnen seien in Lebensgefahr. Auf israelischem Boden schlugen im gleichen Zeitraum 700 Raketen ein. Als Folge des Beschusses durch militante Palästinenser starben vier Israelis. Der Dauerbeschuss des südlichen Israel aus dem Gazastreifen war der Auslöser für die israelische Offensive.
Sollten weder der diplomatische Druck auf die Hamas noch die Luftangriffe den Raketenbeschuss stoppen, ist Israel zu einer Bodenoffensive bereit. Um den Gazastreifen herum wurden sowohl Panzer als auch Bodentruppen in Stellung gebracht.
EU-Delegation immer größer
Unmittelbar vor einer Vermittlungsreise in den Nahen Osten hat die EU die Delegation vergrößert. Es werden nun auch die Außenminister Frankreichs und Schwedens, Bernard Kouchner und Carl Bildt, teilnehmen, berichteten EU-Diplomaten in Brüssel. Die Reise soll an diesem Sonntag in Kairo beginnen. Weitere Stationen sind Tel Aviv, Ramallah und Amman. Die EU hatte bereits früher mitgeteilt, dass der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und EU-Chefdiplomat Javier Solana der Delegation angehören werden.
Tschechien führt seit Jahresbeginn die EU-Amtsgeschäfte. Vorgänger war Frankreich, Nachfolger vom 1. Juli an ist Schweden. Kouchner werde in der Region dazustoßen und sei eingeladen worden, um einen reibungslosen Übergang der Präsidentschaft zu gewährleisten, hieß es.
Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird in der kommenden Woche ebenfalls im Nahen Osten unterwegs sein. Er will als Co-Präsident der bislang weitestgehend funktionslosen Mittelmeerunion gemeinsam mit seinem ägyptischen Amtskollegen Husni Mubarak vermitteln.
Quelle: ntv.de