Politik

"Tickende Zeitbombe" Provokationsberatung in FDP

Einen Tag vor der Sitzung des Bundesvorstandes und des Präsidiums der FDP zu den Querschlägen von Parteivize Jürgen Möllemann hat der stellvertretende Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion, Stefan Grüll, seine Parteifreunde ermahnt, sich besser zu überlegen, was sie "wann in welcher Form wie" sagen. Das sagte Grüll im WDR-Fernsehmagazin"Westpol" am Sonntagabend nach Angaben des Senders. Andernfalls sei das Wahlziel kaum zu erreichen.

"Der Wahlkampf wird deutlich schwerer werden, wenn es uns nicht gelingt, auch die Stichwortgeber in der eigenen Partei dazu bringen zu können, die Stichworte zumindest nicht mehr öffentlich zu geben", sagte Grüll.

"Die Geister, die ich rief ..."

Nachdem die von dem Landesvorsitzenden der NRW-Liberalen ausgelöste Antisemitismus-Debatte abgeflaut ist, wird der politische Flurschaden langsam sichtbar. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz verfügt über Erkenntnisse, nach denen die Auseinandersetzung zwischen Möllemann und dem Vize-Chef des Zentralrates der Juden, Michel Friedman zu einer Belebung der rechtsextremistischen Szene geführt hat.

Wie "Bild am Sonntag" berichtete, verweisen die Landesverfassungsschützer auf Veröffentlichungen von Parteien wie DVU und NPD, in denen Möllemann großen Zuspruch erfahre. So heiße es in einer Schrift der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU): "Der FDP-Politiker Jürgen Möllemann hat mit seinen Äußerungen offenbar zum Ausdruck gebracht, was große Teile des deutschen Volkes denken, doch kaum zu sagen wagen."

Möllemann hatte bereits am Samstag unfreiwillige Schützenhilfe von der Neonazi-Szene erhalten: Anhänger der NPD demonstrierten in Leipzig gegen die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung, die derzeit in der sächsischen Metropole zu sehen ist. Die Demonstranten um den Hamburger Rechtsextremisten Christian Worch trugen Transparente und Plakate mit der Aufschrift "Solidarität mit Möllemann".

Ministrabel oder nicht?

Der sächsische FDP-Vorsitzende Volker Zastrow und der Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki empfahlen Möllemann für ein Ministeramt in der nächsten Bundesregierung. Dagegen äußerten führende Politiker anderer Parteien Zweifel an der Regierungsfähigkeit der FDP, wenn Möllemann weiter eine herausragende Rolle in der Partei spielen sollte. Auch parteiintern meldeten sich erneut kritische Stimmen zum Verhalten des nordrhein-westfälischen FDP-Vorsitzenden zu Wort.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hält Möllemann dagegen nicht für ministrabel. Der "Magdeburger Volksstimme" sagte die SPD-Politikerin, die FDP müsse sich stärker von ihm abgrenzen, davon hänge ihre Regierungsfähigkeit ab. SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck nannte die Entschuldigung Möllemanns und den Rückzug des Abgeordneten Jamal Karsli aus der FDP-Landtagsfraktion in "`Focus " eine rein taktische Maßnahme. Er warf der FDP vor, sie wolle "nach wie vor im rechten Sumpf Wählerstimmen suchen".

Möllemann schweigt

Möllemann selbst verhielt sich am Wochenende zurückhaltend; am Samstag hatte er in Recklinghausen verkündet, man werde weder heute noch in den nächsten Tagen weitere Aussagen von ihm zu dem Streit hören. "Was zu sagen war, ist gesagt - was zu tun war, ist getan. Man müsse sich jetzt wieder "auf die Gesamtqualität der Politik konzentrieren", fügte Möllemann hinzu. Zuvor hatte ihn Parteichef Guido Westerwelle erneut zur Ordnung gerufen, nachdem er Friedman von seiner Entschuldigung ausgenommen und Altliberale wie Gerhart Baum und Hildegard Hamm-Brücher als "Querulanten" bezeichnet hatte.

"Tickende Zeitbombe"

Empörung herrscht nach wie vor bei den Liberalen über die Verunglimpfung verdienstvoller Parteimitglieder. Bundesvize Walter Döring sagte, es gehe nicht, "dass er jahrelang verdiente Parteimitglieder angreift". "Möllemann ist und bleibt eine tickende Zeitbombe."

Quelle: ntv.de

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