Kinder als Mörder missbraucht Prozess gegen Lubanga
26.01.2009, 15:13 UhrIm ersten Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag muss sich seit Montag der frühere kongolesische Milizenführer Thomas Lubanga verantworten. Laut Anklage soll er zwischen September 2002 und 2003 Hunderte Kinder für den bewaffneten Arm seiner Union Kongolesischer Patrioten (UPC) zwangsrekrutiert und zu Verbrechen gezwungen haben. Lubanga plädierte zum Prozessauftakt auf nicht schuldig.
Mehr als 60.000 Tote
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 48-Jährigen vor, 2002 und 2003 in der wegen ihrer Rohstoffe umkämpften Provinz Ituri im Nordosten des Kongos Hunderte Kinder unter 15 Jahren zum Morden gedrillt und für Massaker an Dorfbewohnern eingesetzt zu haben. Chefankläger Luis Moreno-Ocampo will dafür eine Strafe von bis 30 Jahren Haft verlangen. Im Ituri-Konflikt wurden nach UN-Schätzungen zwischen 1999 und 2003 mehr als 60.000 Menschen getötet, Hunderttausende wurden von rivalisierenden Milizen in die Flucht getrieben.
Lubanga sei verantwortlich dafür, dass Kinder seines Hema-Volkes, die teils gerade erst zehn Jahre alt waren, unter der Androhung getötet zu werden, in den Kampf gegen Angehörige des verfeindeten Lendu-Volkes getrieben wurden. "Sie können nicht vergessen, dass sie missbraucht wurden und missbraucht haben", sagte Moreno-Ocampo zu Beginn der Anhörung über das Schicksal der Kindersoldaten. Sie seien zu Mord, Vergewaltigung und Plünderungen gezwungen worden. Noch immer litten die Heranwachsenden unter den Gräueltaten. Viele von ihnen seien heute drogenabhängig oder prostituierten sich.
Lubanga hält sich für unschuldig
"Unser Mandant möchte auf unschuldig plädieren", sagte Lubangas Anwältin Catherine Mabille. Der frühere Milizenchef erschien in einem schwarzen Anzug und einer weinroten Krawatte vor dem Vorsitzenden Richter, dem Briten Adrian Fulford. Der heute 48-Jährige war im März 2005 in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa festgenommen und ein Jahr später nach Den Haag überstellt worden. Der Prozess gegen Lubanga sollte ursprünglich im vergangenen Juni beginnen, wurde aber wegen Verfahrensfehlern zunächst ausgesetzt. Er ist der erste mutmaßliche Kriegsverbrecher, der sich vor dem IStGH verantworten muss.
Mehr als 30 Zeugen geladen
Die Staatsanwaltschaft hat für das auf rund neun Monate angesetzte Verfahren mehr als 30 Zeugen vorgeladen, darunter auch ehemalige Milizenangehörige sowie Experten, die mit Hilfe von Röntgenstrahlen das Alter mutmaßlicher Kindersoldaten bestimmten. Zudem wird der vor drei Richtern geführte Prozess von Anwälten von mehr als 90 Opfern aktiv begleitet – ein Novum in der Geschichte internationaler Gerichtsverfahren.
Moreno-Ocampo versicherte. Dass die Schuld des Ex-Milizchefs auch durch Videoaufnahmen und Hunderte Dokumente lückenlos nachgewiesen werde. Als erster Zeuge soll bereits am Mittwoch ein früherer Kindersoldat aussagen. Die Verteidigung erklärte zunächst nicht, wie viele Zeugen sie laden möchte.
Die Rekrutierung von Kindersoldaten ist unter anderem in Zusatzprotokollen der Genfer Konventionen verboten worden. Als erstes habe jedoch bereits das Statut von Rom, der Gründungsvertrag des IStGH, dies als Kriegsverbrechen eingestuft, sagte der Anwalt eines Opfers im Lubanga-Prozess, Luc Walleyn. Auf Grundlage des Statuts nahm das Tribunal im Juli 2002 seine Arbeit auf. Laut UN-Kinderhilfswerk UNICEF gibt es derzeit weltweit 250.000 Kindersoldaten, hauptsächlich in Afrika und in Asien.
"Weltstrafgericht" soll für Sühne sorgen
Menschenrechtler in aller Welt begrüßten die Eröffnung des ersten Prozesses vor dem "Weltstrafgericht", das vor knapp sieben Jahren mit dem Inkrafttreten seines Gründungsstatuts aus der Taufe gehoben wurde, als wichtiges Signal. Der Strafgerichtshof soll dafür sorgen, dass Völkermord und andere schwere Kriegsverbrechen auch dann nicht ungesühnt bleiben, wenn die betroffenen Staaten selbst nicht zu einer Verfolgung der Täter in der Lage sind.
Quelle: ntv.de