"Wir äffen nichts nach" Putin macht weiter
14.02.2008, 13:09 UhrDer russische Präsident Wladimir Putin will nach dem Ausscheiden aus dem Kreml die Sozial- und Wirtschaftspolitik seines Landes auf Jahre maßgeblich weiter mitgestalten. Zwei Wochen vor der Präsidentenwahl zeigte sich Putin bereit, seinem Wunschnachfolger Dmitri Medwedew über dessen volle Amtszeit als untergeordneter Regierungschef zur Seite zu stehen.
Putin beantwortete auf seiner letzten Jahrespressekonferenz als Staatschef mehr als viereinhalb Stunden lang die Fragen von über 1300 russischen und ausländischen Journalisten. Er beteuerte, dass es keinen Machtkampf mit dem als sicher geltenden Wahlsieger Medwedew geben werde. Der neue Präsident werde eigenständig entscheiden. Putin: "Wir werden uns die Verantwortung teilen, und ich kann Ihnen versichern, es wird dabei keine Probleme geben." Seinen Wunschnachfolger bezeichnete er als "reifen, selbstständigen Politiker", dem er seit vielen Jahren vertraue. Als wichtigste Ziele nannte Putin den Kampf gegen Korruption und Armut bei besonderem Augenmerk auf die Sozialpolitik. Die Ausrichtung der Regierungsarbeit werde der neue Präsident vorgeben. Medwedew hatte schon im Wahlkampf versprochen, Putins Politik fortzuführen.
Auf der Pressekonferenz zeigte Putin keinerlei Anzeichen von Politikmüdigkeit. "Man muss nicht weinen, dass die Zeit abgelaufen ist, sondern sich freuen, dass man in einer anderen Funktion weiterarbeiten kann", sagte der 55-Jährige. Putin hatte bereits im Dezember eine Rollenteilung mit dem 42 Jahre alten Medwedew angedeutet. Dies löste Spekulationen aus, Putin wolle sich mit seinem Wunschkandidaten im Präsidentenamt abwechseln und damit seinen Einfluss auf Jahrzehnte hinaus sichern. Nach zwei Amtszeiten darf Putin bei der Wahl am 2. März nicht wieder direkt antreten.
Putin versuchte, Spekulationen zu zerstreuen, er wolle lebenslang an der Macht festhalten. "Der Versuch, für immer an der Macht zu bleiben, ist für mich nicht akzeptabel", sagte er. "Natürlich werde ich weiterarbeiten. Aber ich war nie süchtig nach Macht", betonte er. "Mir noch mehr Orden umzuhängen oder einen irgendwie erhabenden Thron zu besteigen, das ist inakzeptabel." Medwedew hat angekündigt, nach der Wahl Putin zum Regierungschef zu machen.
"Unmoralisch und ungesetzlich"
In scharfem Tonfall kündigte Putin in der Kosovo-Frage Widerstand gegen die erwartete Unabhängigkeitserklärung Pristinas an. "Wir werden die Angelegenheit vor den Weltsicherheitsrat bringen", sagte Putin. Sollten die Kosovo-Albaner am Sonntag wie erwartet ihre Unabhängigkeit erklären, sei jegliche Unterstützung des Westens dafür "unmoralisch und ungesetzlich". Russland hatte in der Vergangenheit als Vetomacht im Weltsicherheitsrat die Interessen Serbiens vertreten.
Putin zeigt Nerven
Emotional reagierte das Staatsoberhaupt auf die Frage, ob Russland als Reaktion auf die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos im Gegenzug abtrünnige Gebiete vor seinen Grenzen wie Südossetien oder Abchasien anerkennen werde. "Wir müssen doch nicht jede idiotische Entscheidung sofort nachäffen", entgegnete Putin. Russland behalte sich aber das Recht auf eine Reaktion vor. "Wir sind auf den Fall vorbereitet und wissen, was wir zu tun haben."
Putin verwies auf eine Vielzahl separatistischer Bestrebungen in Europa und bezeichnete die Position, wonach die Lage im Kosovo ein Sonderfall sei, als "Lüge". Es fehle eine einheitliche Herangehensweise für die Lösung der Konflikte. "Es muss den Europäern doch peinlich sein, dass sie in dieser Angelegenheit ständig mit zweierlei Maß messen", fügte der Kremlchef hinzu.
Ziele erreicht
Insgesamt zog Putin eine positive Bilanz seiner Jahre als Präsident: "Alle gesetzten Ziele sind erreicht worden." Dabei verwies er vor allem auf die hohen Wachstumsraten und die sicheren Investitionsbedingungen, die er geschaffen habe. "Wir werden mehr und mehr zu einer der führenden Volkswirtschaften der Welt", betonte er. Russlands Wirtschaft ist zuletzt jährlich zehn bis zwölf Prozent gewachsen.
Der Kremlchef muss gemäß Verfassung nach zwei Amtszeiten in Folge seinen Platz an der Spitze Russlands spätestens am 7. Mai räumen. Danach wolle er als erstes "ordentlich ausschlafen", betonte Putin. "Die ganzen acht Jahre habe ich wie ein Sklave von morgens bis abends geschuftet."
"Raketen neu ausrichten"
Unverändert kritisch bewertete Putin die US-Raketenabwehrpläne für Mitteleuropa. Wenn die USA ihre Militäranlagen in Polen und Tschechien aufbauten, sehe sich Russland gezwungen, einen Teil seiner Raketen auf die neuen Ziele auszurichten, sagte er. Zugleich machte Putin deutlich, dass Moskau an einer solchen Konfrontation mit dem Westen nicht interessiert sei. Zuversichtlich äußerte er sich über die Beziehungen zu den USA. Unabhängig vom Ausgang der US-Präsidentenwahl werde sich das Verhältnis "im positiven oder zumindest partnerschaftlichen Dialog" entwickeln.
Quelle: ntv.de