Obama erntet Zustimmung für Militärschlag Putin öffnet eine Hintertür
04.09.2013, 08:51 Uhr
Obama und Putin bei einem Treffen in Nordirland im Juni. Eigentlich sollten die beiden in diesen Tagen zusammentreffen, doch wegen der Verstimmungen über das Russland-Asyl für Edward Snowden waren die Gespräche abgesagt worden.
(Foto: AP)
Russlands Präsident Putin bleibt einerseits hart. Die USA sollen Beweise für die Schuld Assads am Chemiewaffenangriff in Syrien vorlegen, fordert er. Doch signalisiert er nun auch die Bereitschaft, sich überzeugen zu lassen. Dafür stellt er Bedingungen. In Washington gewinnt Präsident Obama derzeit Unterstützung für einen Militärschlag gegen Syrien.
Russland könnte nach den Worten von Präsident Wladimir Putin einem militärischen Eingreifen in Syrien unter Einbeziehung des UN-Sicherheitsrates zustimmen. Voraussetzung seien Beweise dafür, dass die syrische Regierung hinter den Giftgasangriffen stehe, sagte Putin in einem auf der Internetseite der Regierung veröffentlichten Interview. Er forderte die USA mit Nachdruck auf, Beweise für einen Chemiewaffeneinsatz in Syrien vom Weltsicherheitsrat prüfen zu lassen. Wenn die Beweise zudem "überzeugend" seien, werde Russland "äußerst entschieden" handeln. Auf die Frage, ob Russland in einem solchen Fall auch einen Militärschlag gegen die syrische Führung billigen würde, sagte Putin: "Ich schließe das nicht aus."
Die UN-Vetomacht sehe die Führung unter Präsident Baschar al-Assad als legitime Regierung in Damaskus an. Auf der Grundlage alter Verträge versorge Russland Syrien weiter mit Waffen, aber das moderne Raketenabwehrsystem S-300 sei noch nicht geliefert worden.
Ursprünglich wollte US-Präsident Barack Obama am Mittwoch und Donnerstag Putin zu bilateralen Gesprächen treffen. Aufgrund der Spannungen zwischen Washington und Moskau wegen des US-Informanten Edward Snowden sagte Obama dies aber ab. Es wird nun erwartet, dass beide Präsidenten sich am Rande des Gipfels informell austauschen.
US-Senat für Militärschlag
Der außenpolitische Ausschuss des US-Senats will sich nach Medienberichten für eine begrenzte Militäroperation gegen Syrien aussprechen. Die Mitglieder hätten sich nach einer Anhörung in Washington auf eine Resolution geeinigt, die einen Einsatz mit einer Dauer bis zu 60 Tagen erlaube, meldete die "Washington Post". US-Präsident Barack Obama dürfe sie nach einer Mitteilung an den Kongress um 30 weitere Tage verlängern.
Die Zustimmung sei zudem an die Bedingung geknüpft, dass keine Bodentruppen in das arabische Land geschickt würden. Eine Ausnahme wäre die Entsendung einer kleinen "Rettungsmannschaft", falls ein Notfall eintrete.
Obama müsse zudem innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der Aktion einen Plan für eine diplomatische Lösung der Syrien-Krise an den Kongress übermitteln. Der Ausschuss könne die Resolution noch am Mittwoch verabschieden und dann dem gesamten Senat zu einer Abstimmung in der kommenden Woche übermitteln, hieß es weiter.
Kerry redet Abgeordneten ins Gewissen
Zuvor hatte Außenminister John Kerry vor "schrecklichen Konsequenzen" gewarnt, sollte der Kongress keinen Militärschlag gegen Syrien genehmigen. In einer mehr als dreieinhalb Stunden langen Anhörung des Ausschusses warb er gemeinsam mit Verteidigungsminister Chuck Hagel und Generalstabschef Martin Dempsey eindringlich dafür, Präsident Barack Obamas Bitte um eine Erlaubnis nachzukommen. "Dies ist nicht die Zeit, um Zaungast bei einem Massaker zu sein", sagte Kerry.
Wenn die USA den mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatz durch das Regime von Machthaber Baschar al-Assad nicht ahndeten, "würden wir die Büchse der Pandora öffnen", so der US-Chefdiplomat. Staaten wie der Iran oder Nordkorea würden es als Signal sehen, mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen davonzukommen. "Das würde unser Leben sehr, sehr schwer machen." Assads Angriff auf die eigene Bevölkerung mit mehr als 1400 Toten am 21. August habe nicht nur die "rote Linie" der USA, sondern der ganzen Welt überschritten, sagte Kerry mit Verweis auf die Chemiewaffenkonvention der UN.
"Der Einsatz von Chemiewaffen in Syrien ist nicht nur ein Angriff auf die Menschlichkeit, sondern eine ernste Bedrohung für die Sicherheitsinteressen von Amerika und seiner engsten Alliierten", sagte Hagel. Er betonte, mit Frankreich, der Türkei, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen Partnern bereits viele internationale Unterstützer für einen Militärschlag zu haben.
Einen Einsatz von Bodentruppen schloss Kerry erneut aus. Er lehnte es zudem ab, von einem "Krieg" zu sprechen. "Der Präsident bittet Sie nicht, den Krieg zu erklären." Es gehe um die "Autorisierung einer begrenzten Aktion, die Kapazitäten eines Tyrannen zu vermindern, der Chemiewaffen benutzte, um sein eigenes Volk zu töten".
Zuschauer protestieren
Offen ließ Kerry, ob Obama bei einer Ablehnung eines Angriffs durch den Kongress trotzdem zuschlagen würde. "Ich kann nicht sagen, was der Präsident tun wird, weil er es mir nicht erzählt hat. Aber er behält das Recht, zuzuschlagen."
Bei der Anhörung kam es auch zu Protesten von Zuschauern. Mehrere hielten im Saal Schilder in die Höhe, die sich gegen einen "Krieg in Syrien" wandten. Eine Frau forderte mit Rufen, Raketenschläge gegen das arabische Land zu unterlassen. Sicherheitsbeamte führten sie aus dem Raum. Nach Medienberichten handelte es sich um Anti-Kriegs-Aktivisten der Gruppe "Code Pink" (Alarmstufe Rosa).
Boehner unterstützt Obamas Kurs
Zuvor hatte Obama die Unterstützung des ranghöchsten Republikaners im Kongress für einen Angriff auf Syrien gewonnen. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, John Boehner, rief seine Kollegen auf, sich ebenfalls hinter den Präsidenten zu stellen. Der Präsident will den Kongress über einen Angriff auf Syrien entscheiden lassen.
Obama hatte Boehner sowie die oberste Demokratin der Kongresskammer, Nancy Pelosi, zu Gesprächen im Weißen Haus empfangen. Der mutmaßliche Giftgaseinsatz durch syrische Truppen stelle eine "ernste Gefahr für die nationale Sicherheit der USA und der Region" dar, sagte Obama. "Als Konsequenz müssen Assad und Syrien zur Rechenschaft gezogen werden."
Einige Proben in Deutschland
Ein Teil der von UN-Inspektoren im Großraum Damaskus genommenen Proben wird nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" in Deutschland untersucht. Die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) beauftragte das Wehrwissenschaftliche Institut für Schutztechnologien und ABC-Schutz (WIS) in Munster in der Lüneburger Heide mit der Prüfung von Proben, die nicht aus menschlichem Gewebe bestehen.
Schweden will unterdessen allen Asylanträgen von syrischen Flüchtlingen stattgeben. Jeder Asylsuchende aus dem Bürgerkriegsland, der in Schweden um Asyl bitte, werde aufgenommen, sagte die Sprecherin der schwedischen Einwanderungsbehörde, Annie Hörnblad. "Die Behörde hat diese Entscheidung getroffen, weil sie davon ausgeht, dass die Gewalt in Syrien in naher Zukunft nicht abreißen wird." Schweden ist damit das erste europäische Land, das diesen Schritt ankündigt.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/AFP/rts