Deutscher Einheitspreis Quadriga Putins Ehrung sorgt für Empörung
11.07.2011, 17:02 Uhr
Ehrbar? Putin soll für seine Verdienste um die deutsch-russischen Beziehungen ausgezeichnet werden.
(Foto: dpa)
Dass ausgerechnet Russlands Premier Putin am 3. Oktober in Berlin mit dem Deutschen Einheitspreis Quadriga ausgezeichnet werden soll, wird im In- und Ausland immer schärfer kritisiert. CDU-Politiker Polenz bezeichnet die Entscheidung als Fehler, Grünen-Chefin Roth spricht von einem "Schlag ins Gesicht aller Menschenrechtler". Für russische Oppositionelle setzt Deutschland damit ein fatales Zeichen.
Die umstrittene Verleihung des deutschen Einheitspreises Quadriga an den russischen Regierungschef Wladimir Putin wird immer heftiger kritisiert. "Das ist ein Affront, ein Schlag ins Gesicht aller Menschenrechtler", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth. Russische Menschenrechtler monierten, die geplante Ehrung sei eine "Wahlkampfhilfe" für den Ex-Kremlchef.
Der Historiker Boris Belenkin von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial sagte: "Das einzige Ziel der Verleihung scheint die Unterstützung Putins vor den Wahlen in Russland" im März 2012 zu sein. Ähnlich wertete die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" die für den 3. Oktober in Berlin geplante Verleihung: "Auf diese Weise hat ein Teil der deutschen Elite ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Putin mit Wohlwollen aufnimmt."
"Keine gute Idee"
Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, übte Kritik. "Ich halte das nicht für eine gute Idee", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Putin hat Russland nur wirtschaftlich weiterentwickelt, nicht aber die Rechtstaatlichkeit und die Verwirklichung der Menschenrechte vorangebracht."
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte dagegen, es sei Sache der Quadriga, an wen sie ihre Preise vergebe. Der ehemalige SPD-Chef und Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte Putin in einer vielkritisierten Äußerung einmal einen "lupenreinen Demokraten" genannt.
Verdienste für Deutschland?

Kritiker sehen in der Auszeichnung vor allem eine deutsche Wahlkampfhilfe für Putin, der 2012 wieder Präsident werden könnte.
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Der Verein Werkstatt Deutschland zeichnet mit dem undotierten Einheitspreis Putins Einsatz für die Partnerschaft mit Deutschland aus: "Für Wladimir Putin steht die politische und wirtschaftliche Vertiefung der deutsch-russischen Beziehungen seit Anbeginn seiner Regierungsverantwortung an oberster Stelle der Agenda."
Der kremlnahe Politologe Gleb Pawlowski begrüßte entsprechend die Auszeichnung. "Er hat dazu beigetragen, dass Deutschland in Europa stärker geworden ist und als mächtiger Nationalstaat eine Wiedergeburt erlebt hat. Deshalb steht Deutschland Putin gegenüber quasi in der Pflicht", sagte er dem Rundfunksender "Echo Moskwy".
Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hatte das Auswärtige Amt in Berlin vor Bekanntwerden der Preisvergabe auf die besondere Signalwirkung sowie die zeitliche Nähe des Termins vor den russischen Wahlen hingewiesen. Ein Amtssprecher wollte die Wahl des Preisträgers inhaltlich nicht näher kommentieren. "Das Netzwerk Quadriga ist eine private Organisation, ein Verein, an dem die Bundesregierung oder das Auswärtige Amt in keiner Weise beteiligt ist", sagte er. Das Bundeskanzleramt war einer Sprecherin zufolge nicht in die Entscheidung involviert und will diese auch nicht kommentieren.
Nur Özdemir enthält sich
Die Entscheidung für Putin war nach Angaben eines Sprechers in dem 20-köpfigen Kuratorium nicht unumstritten, nur Grünen-Chef Cem Özdemir enthielt sich aber letztlich der Stimme. Er hatte sich bereits kritisch geäußert. Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz sitzt ebenfalls in dem Gremium. Er teilte mit, die Quadriga sei weltweit ein Symbol der Freiheit und des Strebens nach Demokratie. "Der Lebensweg zahlreicher Preisträger seit 2003 steht damit im Einklang. Für den russischen Ministerpräsidenten trifft dies nach meiner Auffassung nicht zu." Schmitz ist laut Senatskanzlei derzeit nicht aktiv im Kuratorium.
Auf der Vereins-Homepage heißt es, die Quadriga würdigt "Vorbilder, die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind". Ein Sprecher erklärte, das sei die Ausrichtung im Jahr 2003 zu Beginn der Quadriga gewesen. "Tatsächlich ist dies bereits seit mehr als fünf Jahren keine Grundlage der Entscheidungen zur Preisvergabe mehr und deshalb auch nicht in aktivem Gebrauch."
Frühere Preisträger sind Griechenlands Premier Giorgos Papandreou, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sowie die ehemaligen Staatschefs Michail Gorbatschow und Vaclav Havel.
Friedensnobelpreisträger Gorbatschow hatte Putin erst unlängst als "selbstherrlich" bezeichnet. Der "nationale Führer", wie er genannt wird, habe ein Machtmonopol geschaffen, das schlimmer als die frühere Kommunistische Partei sei, wetterte der Ex-Sowjetpräsident im Frühjahr.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP