Kreml-Propaganda für Hipster "Putinversteher" machen Mode
20.01.2015, 09:36 Uhr
Vom "Putinversteher"-Ring gingen angeblich auch schon einige nach Deutschland. Zu bewundern ist er unter anderem auf der Webseite von "Putinversteher".
Junge Künstler und Designer in Moskau lancieren ein patriotisches Modelabel mit Namen "Putinversteher". Sie könnten damit dem deutschen, eher negativ besetzten Ausdruck einen neuen Spin geben.
Ein Silberring mit Putin-Konterfei: Was im Westen befremden mag, ist für Sergej Maximow aus Moskau sein ganzer Stolz. Der 21-jährige Geografie-Student hat als einer der Ersten den Putin-Ring gekauft, für umgerechnet 120 Euro. Jetzt trägt er ihn Tag und Nacht. "Ich bewundere Putin als Person, besonders seine Männlichkeit und Stärke", schwärmt Maximow. "Er ist ganz klar ein Mann, der Wort hält." Während Maximow das so sagt, dreht er seinen Ring hin und her. Auf der Rückseite kommt die Gravur "Putinversteher" zum Vorschein - das deutsche (beinahe Un-)Wort.
"Putinversteher" ist ein neues Modelabel aus Russland. Unter der Marke produzieren junge Künstler und Designer Accessoires und Kleider. Das Label könnte dem deutschen Schmähbegriff eine neue Bedeutung verleihen – vielleicht sogar im Westen.
In der "Putinversteher"-Zentrale im Moskaus Stadtzentrum herrscht heute Hektik. Das russische Staatsfernsehen ist da. In der Magazinsendung um 22 Uhr soll ein Beitrag über den neuen Ring laufen. Für die Kamera huschen die sonst so lässigen Macher der Marke durch ihr 700 Quadratmeter großes Loft. Vorbei an den gewaltigen Fensterfronten im vierten Stock des ehemaligen Gasometers hinein in ihre Ateliers. Die Designer, Fotografen und Künstler tüfteln dort an patriotischen Projekten.
Wertschätzung aus dem Westen
Vor der Kamera des Staatssenders sollen alle Details sitzen. Drei junge Männer richten noch schnell die Kulisse für den Laufsteg im Fotostudio ein. Neben den Silberringen sollen unter dem Markennamen bald mehrere Kleidungskollektionen in den Verkauf gehen. Die Männer bringen ein Schild mit der Aufschrift "Putinversteher" an. Links steht ein modernes Bücherregal aus schwarzem Schichtholz mit diversen Bücherattrappen. Rechts Querschnitte von Baumstämmen, vermutlich Birken. Das wirkt bei der Zielgruppe. Davon sind die Macher überzeugt. Ihre Kundschaft schätzen sie als intelligent, gut gebildet, gerade so volljährig und designaffin ein. Dazu ein leichter Hang zum Patriotismus, der mit den scheinbar modernen und hochwertigen Produkten der Linie zu moderaten Preisen weiter ausgebaut werden soll.
"Putinversteher" als Markennamen auserkoren hat der junge Designer Gleb Krajnik. Die Tatsache, dass der Ausdruck im Herzen Europas entstanden ist, wertet er als Zeichen der Wertschätzung Russlands im Westen und gibt das nicht ohne Stolz an alle Auskunftssuchenden genau so weiter. Dass "Putinversteher" hierzulande meist abschätzig genutzt wird, ist ihm nicht ganz so wichtig; dass es in Russland nicht genau verstanden wird, vielleicht gerade recht. "Ich werde oft gefragt: Warum hast du dich nicht für einen englischen oder russischen Ausdruck entschieden?", sagt Krajnik. "Wenn ich darauf antworte, habe ich die Möglichkeit, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Dann erkläre ich, was Putin zu verstehen für mich bedeutet, kann dem eine neue Deutungsebene geben und eine bestimmte Ideologie."
Teil der Jugendbewegung "Set"
Das Label "Putinversteher" ist nur eines von einem halben Dutzend Projekte der Jugendbewegung "Set", zu Deutsch Netz. Vor einem Jahr gegründet, zählt die Bewegung schon mehr als 1000 Mitglieder. In elf russischen Städten kümmern sich rund 100 davon hauptberuflich um die Organisation. Unterstützung kommt dafür auch vom Kreml - zumindest indirekt. Sonst wäre es wohl kaum möglich, dass sich Jungdesigner wie die von "Putinversteher" ein Loft anmieten, das rund 20.000 Euro im Monat kostet. Offiziell sponsern private Investoren die Start-Ups, kremlnahe Stiftungen schießen aber ihre Fördergelder hinzu.
Die Möglichkeit für junge Künster, unter derart komfortablen Bedingungen arbeiten zu können, hat allerdings ihren Preis - klare Prinzipien. "Set" ist strikt gegen gleichgeschlechtliche Ehen. Die Bewegung erkennt nur die vier in Russland gängigen Religionen als rechtmäßig an: Orthodoxie, Islam, Judentum und Buddhismus. Und sie hetzt offen gegen angelsächsische Politiker. Dafür hebt sie, so oft es geht, die Vorzüge der russischen Sprache, Währung, Literatur und Heimat hervor. Außerdem die des russischen Staats und natürlich Putins.
Putinversteher sollen hip werden
Die Urheber von "Set" rekrutieren immer mehr junge Designer und Künstler, die bereit sind, diese strengen Überzeugungen in die Welt des Designs zu transportieren und so Urbanität und Kreativität zu suggerieren. Einer davon ist Dima Below, einer der sechs Designer von "Putinversteher". Der 22-Jährige findet bei "Set" das technische Equipment, das nötige Know-How und Beziehungen, um seine ersten Ideen zu verwirklichen. Und er greift dankbar darauf zurück. Dass seine Arbeit eine politische Dimension hat, ist ihm bewusst: "Es ist am effektivsten, Informationen auf eine visuelle Art zu vermitteln - besonders bei den Jugendlichen", erklärt er.
Below setzt auf moderne Schnitte und Stoffe, unzertrennlich gepaart mit ungeniertem Patriotismus. "Wir vermitteln durch die Symbolik in unseren Kleidern die Traditionen und die Kultur unseres Landes", sagt er. Dann deutet er auf ein Sweatshirt mit den typischen Attributen der russischen Währung, das für umgerechnet 35 Euro zu haben ist. "Der Rubel ist unsere nationale Währung", sagt er. "Wir sind stolz darauf, sie hat für uns eine besondere Bedeutung."
In 2:30 Minuten Länge und mit dem Titel "Der eine Ring", in Anspielung auf Tolkiens "Herr der Ringe", wird der Beitrag über die russischen "Putinversteher" planmäßig im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt. Darin läuft die Reporterin mit Krajnik, dem Macher der Marke, ziellos im schmucken Loft umher, während sie im Off-Text mit Worten, die sehr nach Krajnik klingen, erklärt, dass der Begriff "Putinversteher" im Westen eine Art verdiente Auszeichnung für Menschen ist, die mit der Politik Putins sympathisieren. Online ist das Video mit den beiden Tags Putin und Design versehen. Das passt bestens in Krajniks Konzept: Putinversteher sollen hip werden - und zwar auch im Westen. Das Konzept scheint aufzugehen: Etwa ein Viertel der verkauften Ringe gingen laut Krajnik ins Ausland - auch nach Deutschland.
Quelle: ntv.de