Gebietsgewinne vor Tripolis Rebellen bereiten Kampf vor
06.07.2011, 20:07 Uhr
Die Rebellen verteidigen mit allen Mitteln ihre Stellungen. Hier eine selbstgebaute 68-mm-Kanone.
(Foto: REUTERS)
Untergrundkämpfer und Rebellentruppen wollen gemeinsam den libyschen Machthaber Gaddafi stürzen. Für einen Sturm auf die Hauptstadt Tripolis sehen sie sich nach eigenen Angaben aber noch nicht gerüstet. Wenn es so weit ist, beginne die "Stunde Null".
Die libyschen Rebellen fühlen sich noch nicht bereit für den Vormarsch auf die Hauptstadt Tripolis. "In al-Brega und im Nafusa-Gebirge sind wir schon so weit, aber in Misrata und in Tripolis noch nicht", sagte ein Sprecher des Nationalen Übergangsrates in Bengasi. "Wenn wir auch dort bereit sind, dann beginnt für uns die Stunde Null."
Sprecher Schamseddin Abdulmola berichtete, der Übergangsrat stehe schon seit längerer Zeit in Kontakt mit revolutionären Gruppen in der Hauptstadt. Diese Untergrundkämpfer seien gewillt, gemeinsam mit den Rebellentruppen zu kämpfen, um Machthaber Muammar al-Gaddafi zu stürzen. Bis jetzt stehen die Truppen der Aufständischen im Westen und Südwesten etwa 80 Kilometer vor Tripolis. "Wir waren in einzelnen Fällen auch schon näher dran, dort hatten wir aber nicht wirklich die Kontrolle über das Terrain", fügte er hinzu.
Wichtige Ortschaft eingenommen
Die Rebellen nahmen allerdings auf dem Weg nach Tripolis eine wichtige Ortschaft ein. Nach sechsstündigem Kampf stürmten sie das Dorf Al-Kawalisch, in dessen Nähe die zur Hauptstadt führende Autobahn verläuft. Die Aufständischen feuerten aus Freude über ihren Erfolg Schüsse in die Luft ab und riefen "Gott ist groß". Im Dorf gab es Anzeichen für eine überstürzte Flucht der Soldaten von Gaddafi. In der Nähe eines Kontrollpunktes lagen eingestürzte Zelte und angebissene Brote. Ein Kleinlaster und eine Transformatorenstation standen in Flammen.
In der Nähe des Dorfes liegt die Stadt Garjan, von der man die Autobahn nach Tripolis kontrollieren kann. Die Offensive begann im Morgengrauen mit Raketen- und Granatenfeuer auf mutmaßliche Stellungen des Gegners. Gaddafis Truppen feuerten als Antwort "Grad"-Raketen russischer Bauart auf die Rebellen ab.
Auch von Misrata aus rückten die Rebellen nach Darstellung von Kommandeuren rund 20 Kilometer Richtung Hauptstadt vor. Sie gerieten unter Beschuss der Truppen Gaddafis. Nach Angaben von Ärzten kamen bei Kämpfen nahe Misrata mindestens 14 Aufständische ums Leben. Andere Quellen sprachen von 19 Toten.
Übergangsrat nach Brüssel eingeladen
Die NATO stärkt derweil ihre Beziehungen zur politischen Führung der Rebellen in Libyen. Der Vorsitzende der Übergangsregierung der Aufständischen, Mahmud Dschibril, werde am Mittwoch nächster Woche mit den ständigen Botschaftern der NATO-Staaten in Brüssel beraten. Das kündigte der Generalsekretär der westlichen Allianz, Anders Fogh Rasmussen, in Brüssel an. "Herr Dschibril wird den Fahrplan für einen Übergang zur Demokratie in Libyen vorlegen", sagte Rasmussen.
Rasmussen sagte weiter, es lägen keine gesicherten Erkenntnisse über einen beabsichtigten Rückzug Gaddafis vor. Es sei aber klar, dass Gaddafi im Endeffekt die Macht abgeben werden müssen. Zuvor hatte eine russische Zeitung unter Berufung auf einen Insider berichtet, Gaddafi lote die Möglichkeit eines Machtverzichts aus. Als Bedingung müsse sich aber sein Sohn Saif al-Islam für politische Ämter bewerben dürfen. Dieser wird allerdings wie sein Vater vom Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesucht. Der Übergang zur Demokratie solle unter Führung der Vereinten Nationen vollzogen werden, sagte Rasmussen. Zunächst müsse Gaddafi aber zurücktreten.
Türkei streckt ihre Fühler aus
Auch die Türkei will derweil ihre Beziehungen zur politischen Führung der Rebellen weiter ausbauen. Der Nationale Übergangsrat sei die rechtmäßige Vertretung des libyschen Volkes, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu in Ankara bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden der Übergangsregierung der Aufständischen, Mahmud Dschibril. Bereits am Wochenende hatte die türkische Regierung den Nationalen Übergangsrat offiziell anerkannt und Millionenhilfe versprochen.
Davutoglu forderte politische Veränderungen in Libyen, die die Forderungen des Volkes erfüllen, wie die türkische Nachrichtenagentur Anadolu weiter berichtete. Dschibril sagte, der Übergangsrat in Bengasi wolle eine strategische Partnerschaft mit der Türkei aufbauen. Er rief all die türkischen Firmen zur Rückkehr auf, die Libyen mit dem Beginn des blutigen Konflikts zwischen Rebellen und den Gaddafi-Truppen verlassen hatten.
Ein Untersuchungsrichter in Tripolis kündigte an, 21 Mitglieder des Nationalen Übergangsrats der Rebellen in Bengasi in den kommenden Wochen vor einem Sondergericht anklagen zu wollen. Den Angeklagten würden unter anderem Angriffe auf Gaddafi, Spionage und die Aufwiegelung des Volkes vorgeworfen, sagte der Richter Chalifa Issa Chalifa.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts