
Eine Trickfilmfigur, die gegenüber anderen Lebensentwürfen offen ist, das ist für Federico Mollicone zuviel.
(Foto: REUTERS)
Im italienischen Wahlkampf geht es nicht zimperlich zu. Selbst die beliebte Zeichentrickserie Peppa Wutz wird schnell zum Politikum. Ein rechter Politiker verlangt, die Folge mit Penny Eisbär und ihren zwei Müttern nicht auszustrahlen. Sie könnte die Kinder verstören.
Am 25. September sind in Italien Parlamentswahlen. An Wahlkampfthemen mangelt es nicht. Dass aber auch der britische Kinderzeichentrickfilm Peppa Wutz hineingezogen wird, hört sich mehr als skurril an. Es ist aber so.
In der von Channel 5 am 6. September ausgestrahlten Folge "Families", stellt sich die neue Figur Penny Eisbär ihren Mitschülerinnen und Mitschülern so vor: "Ich lebe mit meiner Mami und meiner anderen Mami zusammen. Eine Mami ist Ärztin und eine Mami kocht Spaghetti. Ich liebe Spaghetti!"
Federico Mollicone, Abgeordneter der rechten Partei Fratelli di'Italia und Kulturreferent derselben, zeigte sich entrüstet und forderte das öffentliche Fernsehen RAI auf, diese Episode weder auf seinen Sendern noch auf seinen Plattformen auszustrahlen. "Die RAI kauft die Rechte der Serie mit den Gebühren aller Italiener" hob er hervor und fügte hinzu: "Die Entscheidung der Autoren, eine Figur mit zwei Müttern einzufügen, ist inakzeptabel. Wieder einmal hat das politisch Korrekte zugeschlagen und die Folgen tragen unsere Kinder." Mollicone befürchtet, der Zeichentrickfilm könnte die Kinder verwirren. Vielleicht spielt aber auch die Tatsache, dass Penny Eisbär so gerne Spaghetti isst, eine Rolle. Das könnte ja die italienischen Kinder noch mehr beeinflussen.
Auf die Anschuldigung, er diskriminiere homosexuelle Menschen, antwortete Mollicone, das sei falsch, er bestehe nur darauf, dass die Aufklärung der Kinder einzig und alleine den Eltern vorbehalten bleibe. Dazu führte er Zahlen an, die seine Position angeblich untermauern: 55 Prozent der Italiener seien gegen die Adoption eines Kindes seitens gleichgeschlechtlicher Paare, sagte er. Das stimmt aber nicht. Das Meinungsinstituts IPSOS hat im Sommer eine Umfrage veröffentlicht, laut der 59 Prozent der Befragten Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Eltern befürworten.
Den Kindern ist es einerlei
Dass die Rechten ein Problem mit der LBTQ Gemeinschaft hat, hat ihre Parteivorsitzende Giorgia Meloni immer wieder und zuletzt im Sommer in Spanien gezeigt. Bei einer Wahlkundgebung der Rechten VOX brüllte sie klar und unmissverständlich ins Mikrofon: "Ja zur natürlichen Familie, nein zur LGTBQ-Lobby!" Später entschuldigte sie sich dafür, aber gesagt ist gesagt.
"Dass sich dieser Politiker die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ist verständlich, so absurd sich seine These, die Kinder könnte davon beeinflusst werden, anhört" meint Valentina im Gespräch mit ntv.de. Sie ist mit Gianna verheiratet. Beide sind um die 35 und haben zusammen die siebenjährige Tochter Costanza. Valentina ist Lehrerin, Gianna Krankenschwester. Sie leben in der Kleinstadt Sulmona, in den Abruzzen. "Wir wurden von der Gemeinschaft problemlos angenommen, auch weil ich aus Sulmona bin", erzählt Valentina weiter. Constanza habe vom Kindergarten an nie Ausgrenzungen erlebt. "Dass sie zwei Mütter hat, war für ihre Spielgefährten und einerlei."
"Der Alltag ist normal" fügt Gianna hinzu. "Mit Problemen bürokratischer Art müssen wir aber rechnen, sollte Costanza zum Beispiel einmal im Krankenhaus landen. In Italien ist die Adoption seitens gleichgeschlechtlicher Paare verboten, weswegen nur ich befugt bin, in so einem Fall Entscheidungen zu treffen." Da sie aber selber im städtischen Krankenhaus arbeitet, wird's nicht ganz so schlimm werden, meint sie.
Beim Gedanken, dass das Rechts-Mitte-Bündnis die Wahlen mit großer Wahrscheinlichkeit gewinnen wird, beschleicht Valentina und Gianna schon ein ungutes Gefühl. "Wir haben zwei schwere Pandemiejahre hinter uns und vor uns liegt eine Durststrecke. Viele Leute sind aufgebracht, entnervt und Aussagen wie die des Abgeordneten und von Meloni sind wie Benzin aufs Feuer." Die Angst ist, dass nach einem Sieg manche noch aggressiver werden könnten.
Der homophobe Einfluss auf labile Gemüter
Von homophoben Angriffen berichten die Zeitungen immer öfter. Ein Gesetz dagegen war voriges Jahr fast schon beschlossen, das Abgeordnetenhaus hatte es verabschiedet. Fratelli d'Italia und die nationalpopulistische Lega von Matteo Salvini lehnten es aber bei der Abstimmung im Senat ab. Das Gesetz hätte Homophobie mit Rassismus gleichgestellt und dann auch Freiheitsstrafen vorgesehen. Fratelli di'Italia und Lega meinten jedoch, es könnte die Meinungsfreiheit beschränken und die Propaganda für Homosexualität in der Schule fördern.
"So ein Quatsch", sagt Porpora Marcasciano zu ntv.de. Sie ist Gemeinderätin in Bologna und eine der bekanntesten Transaktivistinnen. "Wir haben ja gar keinen Zutritt in die Schulen. Nehmen wir den Fall, wir würden einen Vortrag über dieses Thema halten wollen. Es braucht nur ein Elternteil, der dagegen ist und es wird nichts daraus."
Dass das Thema Homosexualität sogar über Peppa Wutz in den Wahlkampf kommt, wundert sie nicht. "Eignet sich doch bestens dafür." Das wirkliche Problem ist ihrer Ansicht nach, dass sich Italien seit fünf Jahren im Wahlkampfmodus befindet. "Und das ständige Wiederholen von gewissen Ansichten beeinflusst am Ende doch das eine oder andere labile Gemüt."
Am Strand attackiert
Marcasciano weiß, wovon sie spricht. Vor ein paar Wochen wurde sie an einem Strand in den Abruzzen von einer Gruppe Jugendlicher bedroht. "Es waren fünf, um die 20, vielleicht 25 Jahre alt. Einer von ihnen hat ein Messer gezückt und mir gesagt 'Wenn du mich auch nur streifst, schneide ich dir die Kehle auf'. Ich hab meine Sachen gepackt und bin langsam rücklings gegangen. Es waren nicht viele Leute am Strand, weswegen auch keiner was bemerkt hat. Nach 100 Metern, mit der Gruppe, die mir Schritt für Schritt folgte, hab ich endlich den Strandkiosk erreicht. Solche Fälle zeigen, wie wichtig ein Gesetz gegen Homophobie wäre."
Aggressionen dieser Art mehren sich. Die Zeitungen berichteten unlängst von einem weiteren Fall im Urlaubsort Sperlonga im Latium. Dort wurden zwei Frauen angegriffen, weil sie sich geküsst hatten. Und auch Valentina und Gianna machten diesen Sommer eine schlechte Erfahrung am Bahnhof von Teramo. Ein Mann beschimpfte und bedrängte aufs Ärgste einen anderen. Gianna versuchte einzuschreiten, worauf der Angreifer sie und Valentina als Lesben beschimpfte. "Was uns aber wirklich verstörte, war seine Tochter. Sie kam zu uns, entschuldigte sich für ihren Vater und sagte, sie selber sei auch eine Lesbe und müsse weiter bei ihren Eltern wohnen."
Es sind nur noch einige Tage bis zu den Parlamentswahlen. Die Chancen, dass das Mitte-Links-Lager gewinnt, sind gering. "Unter einer Rechts-Mitte-Regierung wird das Leben für die LGBT Gemeinschaft nicht leichter werden "ich vertraue aber auf die Zivilgesellschaft", sagt Marcasciano "dass die endlich wieder erwacht und sich für die Rechte einsetzt, sollte es nötig sein. Denn die schenkt uns keiner."
Das mag sich wie Wunschdenken anhören. Marcasciano könnte aber auch Recht behalten. Denn, wenn es ernst wird, ist Italien oft auch für eine Überraschung gut.
Quelle: ntv.de