Fußball

Benevenuto spricht nach Outing Schiri: "Man würde sich wundern, wer alles homosexuell ist"

Benevenuto ist seit 24 Jahren im Geschäft. Zur WM hat es knapp nicht gereicht.

Benevenuto ist seit 24 Jahren im Geschäft. Zur WM hat es knapp nicht gereicht.

(Foto: imago/Fotoarena)

Im Juli hat der Brasilianer Igor Benevenuto sein Coming-out - als erster FIFA-Schiedsrichter. Nun legt er mit einer überraschenden These nach: Er glaubt, dass 30 bis 40 Prozent aller Personen im Fußballgeschäft homo- oder bisexuell sind oder zumindest schon Erfahrung haben.

Der brasilianische FIFA-Schiedsrichter Igor Benevenuto hat nach seinem Coming-out eine überraschende These aufgestellt. "Wenn wir alle Beteiligten - Funktionäre, Trainer, Spieler, Schiedsrichter - zusammennehmen, dann sind 30 bis 40 Prozent homosexuell, bisexuell oder hatten mal etwas mit einem Mann", sagte der 41-Jährige dem "Spiegel". "Auch Menschen außerhalb der Fußballwelt bemerken, dass es heimliche homosexuelle Partnerschaften von Fußballern gibt oder Scheinehen. Man würde sich wundern, wer alles in dieser Branche homosexuell ist."

Benevenuto hat vor gut sechs Wochen in einem Podcast seine Homosexualität öffentlich gemacht - als erster FIFA-Schiedsrichter. Er stand auf der Liste der potenziellen Videoschiedsrichter für die WM in Katar, wurde aber nicht nominiert. "Ich glaube daran, dass eine WM auch die Chance zur Verbesserung bietet. Vielleicht können sich Sitten und Regeln ändern", sagte er angesprochen auf die WM in einem Land, in dem gleichgeschlechtliche Partnerschaften verboten sind.

"Galt als Krankheit wie Alkoholismus"

Der 41-Jährige hatte bei seinem Coming-out auch Homophobie im Fußball und seiner südamerikanischen Heimat kritisiert. Es gebe immer noch Vorurteile, sagte er nun. "In Brasilien müssen Homosexuelle fürchten, nicht nur mit Worten, sondern auch körperlich angegriffen zu werden. Die Einstellung hat sich noch nicht geändert." Er verdeutlichte es an seinem eigenen Leben: "Homosexualität galt in Brasilien als eine Krankheit wie Alkoholismus, die man überwinden könne. Und ich habe das jahrelang geglaubt. Ich litt unter Depressionen und durchlebte dunkle Stunden, abends betete ich zu Gott: Erlöse mich von der Krankheit."

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Ob er anderen Menschen auch zu einem Coming-out raten würde, hänge von der jeweiligen Situation und vom Umfeld desjenigen ab. "Es sollte nicht einfach aus dir herausbrechen, dann könnte der Schaden größer sein als der Nutzen. Ich habe lange gebraucht, um zu mir selbst zu finden", sagte Benevenuto. "Es ist ein Prozess, aber wenn du es geschafft hast, dann kannst du - um im Fußballjargon zu bleiben - frei aufspielen. Ich wünsche allen, dass sie sich befreien können. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als für andere und nicht für sich selbst zu leben."

Benevenuto ist seit 24 Jahren im Schiedsrichtergeschäft. Nun will er Vorreiter sein, andere motivieren, den gleichen Schritt zu gehen: "Es ist traurig, es gibt noch immer Vorurteile. Ich werde es nicht mehr erleben, dass sich die Situation komplett ändert. Aber ich kann ein Tropfen im Ozean des Wandels sein."

Quelle: ntv.de, ara/dpa/sid

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