SPD attackiert von der Leyen "Regelsätze nach Kassenlage"
27.09.2010, 14:44 UhrSPD-Fraktionsvize Elke Ferner wirft der Bundesregierung Willkür bei der Festlegung der Hartz-IV-Regelsätze vor. So seien anders als bislang üblich auch die Bezüge der so genannten Aufstocker in die Berechnungsgrundlage eingeflossen. Zugleich lässt Ferner offen, ob die SPD dem Gesetzentwurf im Bundesrat zustimmen wird.

Elke Ferner ist stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion.
(Foto: elke-ferner.de)
n-tv.de: Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat gesagt, sie könne sich nicht vorstellen, dass die SPD das Bildungspaket mit warmem Mittagessen für bedürftige Kinder, Schulmaterial, Lernförderung und einem Budget etwa für Musik oder den Fußballverein ablehnen wird". Wird die SPD so ein Angebot im Bundesrat ablehnen können?
Elke Ferner: Natürlich lehnen wir ein warmes Mittagessen nicht ab - das ist schließlich eine Forderung von uns, die Frau von der Leyen da aufgegriffen hat. Aber eine Blankozustimmung zu ihrem Gesetzentwurf kann es deshalb nicht geben. Schließlich geht es darum, dass das Paket insgesamt den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Außerdem muss sichergestellt werden, dass die Bildungsteilhabe tatsächlich von den Kindern in Anspruch genommen werden kann. In den acht Monaten seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat Frau von der Leyen ein einziges Mal mit den Ländern gesprochen - aber dort, bei den Ländern und den Kommunen, muss dieses Paket umgesetzt werden.
Können Sie sich vorstellen, dass es Zugeständnisse im Bildungspaket gibt, und die SPD der 5-Euro-Erhöhung dann doch zustimmt? In Klammern gesprochen: Unter PR-Gesichtspunkten würde sich die SPD damit vermutlich keinen Gefallen tun.
Wir machen keine Politik unter PR-Aspekten; wir wollen uns an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten. Nach dem Geschachere der letzten Wochen mit der klaren Ansage von CSU-Chef Seehofer, dass es gar keine Erhöhung geben soll, dann der Einigung mit den CDU-Ministerpräsidenten auf eine Erhöhung um deutlich weniger als 20 Euro während das Ministerium noch gerechnet hat - da liegt die Vermutung nahe, das hier Regelsätze nach Kassenlage gemacht wurden.
Das Bildungspaket enthält viele Punkte, die die Schule berühren. Ist der Bund da überhaupt zuständig?
Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass die Länder für die Infrastruktur zuständig sind, aber der Bund dafür, dass die Kinder die Bildungsteilhabe ausüben können. Insofern ist der Bund zuständig, aber es bedarf natürlich einer sehr engen Kooperation und Abstimmung mit den Ländern und den Kommunen, wenn das bis zum 1. Januar umgesetzt werden soll. Und das hat Frau von der Leyen versäumt. Welche Angebote können genutzt werden, welche Angebote müssen noch geschaffen werden? Da ist noch zu viel unklar.
Frau von der Leyen sagt, wer die Erhöhung um 5 Euro als Verhöhnung bezeichne, verhöhne die Menschen, ihren Lebensunterhalt mit kleinem Einkommen selbst verdienen - dahinter steckt das Argument des Lohnabstandsgebots.
Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, die Regelsätze müssen bedarfsgerecht, sachgerecht und vor allem in einem transparenten Verfahren festgelegt werden. Die Transparenz kann ich derzeit nicht erkennen, insofern kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob es bedarfs- und sachgerecht ist. Aber Verhöhnung derer, die nur kleine Einkommen beziehen? Das macht die Bundesregierung, denn die weigert sich, flächendeckende Mindestlöhne einzuführen. Das würde dazu führen, dass wesentlich weniger Menschen auf Transferleistungen angewiesen wären. Und die Bundesregierung hat im Haushaltsentwurf die Maßnahmen für Eingliederung in Arbeit gekürzt. Damit kürzt sie die Chancen von Menschen, wieder in Arbeit zu kommen und frei zu werden von sozialen Transferleistungen.
Haben Sie auch ohne die Rohdaten eine Vermutung, wie hoch die Regelsätze sein sollten?
Das kann ich so nicht sagen, das wäre Kaffeesatzleserei. Klar ist allerdings, dass die Referenzgruppe deutlich kleiner ist als beim letzten Mal. Da sind beispielsweise auch Aufstocker mit drin, die ja selbst Transferleistungen beziehen. Das ist Willkür und scheint mir nicht konform zu gehen mit den Vorgaben des Verfassungsgerichts.
Mit Elke Ferner sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de