"Auf in die sechziger Jahre" Regierung kippt Nachtspeicherofen-Verbot
17.05.2013, 12:53 Uhr
Ein Nachtspeicherofen aus den 1980er Jahren in einem Jugendzimmer in Kaufbeuren.
(Foto: picture alliance / dpa)
Nachtspeicheröfen sollten ab 2020 in Deutschland nicht mehr betrieben werden. Jetzt beschließen Union und FDP, die Energiewende mit den veralteten Stromfressern voranzutreiben. Die Stromriesen wollten diese Möglichkeit, um Energie zwischenzulagern. Umweltverbände sprechen von einem "Coup für Lobbyisten".
Der Bundestag hat das Verbot von Nachtspeicheröfen ab dem Jahr 2020 aufgehoben. Schwarz-Gelb kippte ein entsprechendes Verbot aus den Zeiten der Großen Koalition. Die einst massenhaft installierten Nachtspeicheröfen waren lange Zeit als teure Stromfresser verpönt, die Bürgern auch heute noch sehr hohe Rechnungen bescheren. Neuerdings gelten sie jedoch als flexible Stromspeicher, die in den Zeiten der Energiewende besser auf das schwankende Ökostromangebot reagieren sollen.
"Den einen oder anderen Energiespeicher können wir ganz gut gebrauchen", sagte der Parlamentarische Bau-Staatssekretär Jan Mücke (FDP) nach der Sitzung. Unter anderem hatte sich der Energiekonzern RWE stark gemacht für eine Nutzung und Umrüstung der Nachtspeicheröfen und sogar eine neue Variante der "Wohnzimmerdinosaurier" entwickeln lassen.
In Zeiten der Energiewende gibt es oft ein Überangebot an Strom. Deutschland steuert auf einen Rekordüberschuss in diesem Jahr zu - auch weil Braun- und Steinkohlekraftwerke - wie die von RWE - nicht flexibel genug auf das schwankende Ökostromangebot reagieren können. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach deshalb von einem "Coup für die Lobbyisten". "Auf in die sechziger Jahre", kommentierte Cornelia Ziehm, die Leiterin Klimaschutz und Energiewende der DUH den Beschluss. Die schwarz-gelbe Koalition habe eins zu eins umgesetzt, was der Essener Energiekonzern RWE wünscht.
Hohe Profite sind garantiert
Elektroheizungen bescheren den Stromproduzenten wie RWE, Eon, Vattenfall,und EnBW hohe Profite. Nach Angaben des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), versuchen die großen Energieversorgungsunternehmen auf Kosten der Umwelt ihre Gewinne zu vergrößern und so die Akzeptanz für neue Atom- und Kohlkraftwerke zu schaffen.
Nach Angaben des Bundes für Energieverbraucher wird dieser Versuch bei EnBW besonders deutlich: Für Nachtstrom zur Wärmeerzeugung habe die EnBW bislang nur 11,02 Cent je Kilowattstunde (kWh) verlangt. Abzüglich der Steuern und Umlagen für erneuerbare Energien bleiben dem Konzern davon nur noch rund 3 Cent. Davon muss das Unternehmen den Strom einkaufen - für etwa 4 Cent in den Nachtstunden. Hinzu kommen Netzentgelte, Verwaltungs- und Marketingkosten. Folglich legte der Konzern am Ende drauf.
Entsprechend drastisch stieg der Strompreis. Für Wärmepumpen werden nach Angaben des Bundes der Energieverbraucher statt bisher 11,02 Cent in der Nacht und 15,12 Cent am Tag jetzt rund um die Uhr bei durchschnittlich 17,64 Cent fällig - ein Aufschlag von 13 Prozent am Tag und 56 Prozent in der Nacht. Stromheizungen, für die es weiterhin einen Nachttarif gibt, werden tags um 24 Prozent und nachts um 33 Prozent teurer.
Rechnung bezahlt der Stromkunde
Auch wenn der Heizstrom rund zehn Cent unter dem Preis für normalen Haushaltsstrom liegt, wird die Haushaltskasse durch Nachtspeicheröfen extrem belastet. Wer auf diese Weise heizt, verbraucht jährlich zehn- bis zwanzigtausend Kilowattstunden. Der normale Haushalt verbraucht hingegen nur rund 3500 Kilowattstunden jährlich.
Besonders hart trifft es die sozial Schwächeren, denn Elektroheizungen gibt es meist nur in Mietwohnungen. Ein Umstellen auf andere Heizungsvarianten kommt für sie nicht infrage.
Auch wenn die Energieunternehmen sowie Union und FDP auf Nachtspeicheröfen als Mikrospeicher für schwankende Ökoenergiemengen hinweisen, sind die rund 12,6 Millionen Nachtspeicheröfen in deutschen Haushalten für eine gigantische Energieverschwendung in Deutschland verantwortlich: Für 10 bis 15 Terawattstunden (TWh) oder 2 bis 3 Prozent des nationalen Strombedarfs.
Quelle: ntv.de, ppo