Missbrauchs-Skandal Regierung setzt Beauftragte ein
22.03.2010, 21:40 Uhr
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Union und FDP wollen einen runden Tisch zu Aufarbeitung der jüngst bekannt gewordenen Missbrauchsfälle einrichten. Den Vorsitz führen die Familienministerin beziehungsweise die Justizministerin. Außerdem soll sich eine unabhängige Beauftragte um Hilfen für Opfer kümmern.
Die Bundesregierung will eine unabhängige Beauftragte einsetzen, um die Missbrauchsfälle in katholischen und anderen Einrichtungen aufzuarbeiten. Darauf einigte sich die schwarz-gelbe Koalition. Das Kabinett will diese Pläne an diesem Mittwoch beschließen. Die Beauftragte soll Empfehlungen für materielle und nichtmaterielle Hilfen für Missbrauchsopfer erarbeiten. Wer diese Aufgabe konkret übernimmt, ist noch offen.

Kanzlerin Merkel: Die Opfer brauchen Klarheit.
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Daneben soll am 23. April erstmals der ressortübergreifende Runden Tisch zusammenkommen. Den Vorsitz sollen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Bildungsministerin Annette Schavan und Familienministerin Kristina Schröder (beide CDU) gleichberechtigt führen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich für ein einheitliches Vorgehen eingesetzt, nachdem es Debatten zwischen den drei Ministerien über den Ansatz zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle gegeben hatte. Zum Runden Tisch gehören voraussichtlich zwei Arbeitsgruppen, die sich mit Prävention und juristischer Aufarbeitung beschäftigen sollen.
Merkel begrüßt Hirtenbrief
Merkel lobte den Hirtenbrief von Papst Benedikt XVI. zu den Missbrauchsfällen. Ihr Sprecher Ulrich Wilhelm sagte: "Die Bundeskanzlerin begrüßt, dass der Papst sowohl die Wiedergutmachung geschehenen Unrechts als auch die Notwendigkeit besserer Prävention für die Zukunft offen anspricht." Für die Kanzlerin gelte unverändert, dass die Opfer und die Gesellschaft als Ganzes "Klarheit und Wahrheit" brauchten. In dem am Samstag veröffentlichen Schreiben an die Katholiken in Irland hatte der Papst den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche "aufrichtig bedauert".
Grünen-Chefin Claudia Roth zeigte sich enttäuscht, dass der Papst nicht ausdrücklich die Taten katholischer Geistlicher in Deutschland erwähnte: "Das ist ein schwerer Fehler, den das Oberhaupt der katholischen Kirche begeht." Die Grünen beantragten eine Aktuelle Stunde im Bundestag. Weder die Kirche noch die Bundesregierung hätten bisher eine angemessene und hinreichende Antwort auf die große Zahl der bekanntgewordenen Missbrauchsfälle gefunden, sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck.
Lob für bayerische Bischöfe
Nach Angaben von Wilhelm begrüßt die Kanzlerin auch die Erklärung der bayerischen katholischen Bischöfe aus der vergangenen Woche. Sie habe "unmissverständlich deutlich gemacht, dass die innerkirchliche Behandlung von bekanntwerdenden Missbrauchsfällen" verändert werden müsse. Die Erklärung sei "sehr wichtig" - auch mit Blick auf die Überarbeitung der entsprechenden Leitlinien innerhalb der deutschen Bischofskonferenz, sagte Wilhelm.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lobt die bayerischen Bischöfe.
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Auch hält das Vorgehen der bayerischen Bischöfe für beispielhaft. "Der Beschluss der bayerischen Bischofskonferenz eröffnet allen deutschen Diözesen einen neuen Weg", sagte sie der "Berliner Zeitung". In der "Frankfurter Rundschau" sagte sie, für sie sei entscheidend, dass die katholische Kirche bereit sei, künftig bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch ganz eng mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Das Thema solle bei ihrem Treffen mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, am 15. April angesprochen werden.
Die katholischen Bischöfe in Bayern fordern eine juristische Meldepflicht bei jedem Verdacht auf sexuellen Missbrauch in der Kirche. Die Leitlinien der deutschen Bischofskonferenz verpflichten die Kirche bisher nur bei einem erhärteten Verdacht und bei nicht verjährten Fällen, die Staatsanwaltschaft einzuschalten.
Quelle: ntv.de, dpa