Politik

Linke enthält sich bei RenteReichinnek: Ohne Kanzlermehrheit "rollen Köpfe" in Union

05.12.2025, 10:43 Uhr
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Heidi Reichinnek fordert ein Rentenniveau von 53 Prozent. (Foto: picture alliance / dts-Agentur)

Wieder einmal Showdown im Bundestag: Weil die Linke sich in der Abstimmung über das Rentenpaket enthält, gilt die Mehrheit als sicher. Linke-Fraktionschefin Reichinnek rechnet aber mit Konsequenzen, sollte Schwarz-Rot nicht aus eigener Kraft auf eine Mehrheit kommen.

Der Bundestag entscheidet am Mittag über das Rentenpaket der Bundesregierung. Dieses dürfte trotz Kritik aus der Union eine Mehrheit bekommen, weil sich die Linke in der Abstimmung enthalten will. "Das Spannende ist ja: Es gibt doch nichts Schlimmeres für die Union, als dass das Rentenpaket nur durch unsere Enthaltung durchkommt", sagte Linke-Fraktionschefin Heidi Reichinnek in der ntv-Sendung Frühstart. "Was glauben Sie, was da los ist? Also, da rollen Köpfe."

Am Vorabend hatte Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz auf die sogenannte Kanzlermehrheit gepocht: "Die Mehrheit ist 316. Wir haben 328 und ich würde mir ein Ergebnis wünschen zwischen 316 und 328", sagte Merz mit Blick auf die Stimmenanteile der schwarz-roten Regierungsfraktionen im Bundestag. Nach Informationen des "stern" ist die Unionsfraktion zur Abstimmung vollständig vertreten.

Das Abstimmungsverhalten mehrerer Unionsabgeordneter, die sich zur Jungen Gruppe zusammengeschlossen haben, ist offen. Die jungen Abgeordneten lehnen die im Rentenpaket enthaltene Stabilisierung des Rentenniveaus ab. Sie argumentieren, dass diese Kosten die künftigen Generationen übermäßig belasteten. Am Dienstag fand eine Probeabstimmung in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion statt, bei der offenbar rund 15 Abgeordnete gegen die Rentenvorlage stimmten. Seitdem laufen intensive Gespräche mit den Kritikern, damit die Koalition aus eigener Kraft auf eine Mehrheit kommt.

"Wir retten nicht Herrn Merz"

Da sich die Linke enthält, gilt die einfache Mehrheit für das Rentenpaket als gesichert. "Es geht uns um die Menschen im Land. Es geht uns um die Rente", begründete Reichinnek den Kurs ihrer Fraktion. Die Linke fürchtet, ein Aufschnüren der bisherigen Pläne hätte zu einer Absenkung des Rentenniveaus führen können. "Wir retten nicht Herrn Merz, wir retten die Rente von über 21 Millionen Menschen in diesem Land", so Reichinnek bei ntv. "Wir alle wissen mittlerweile, dass jeder fünfte Rentner, jede fünfte Rentnerin in Armut lebt oder von Armut bedroht ist. Diese Zahl hat sich fast verdoppelt, seit das Rentenniveau von 53 auf 48 Prozent gesenkt wurde." Das Rentenniveau müsse zurück auf 53 Prozent.

"Wir werden ganz sicher nicht zulassen, dass die Union ihre Machtspielchen auf dem Rücken der Rentnerinnen und Rentner ausführt", so Reichinnek. Allerdings bringt die Linke mit ihrem Vorgehen die Union auch in die Bredouille: Ein selbst auferlegter Unvereinbarkeitsbeschluss verbietet der CDU weitgehend, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Umso mehr ist sie nun unter Druck, ausreichend Ja-Stimmen zu organisieren, so dass die Enthaltung der Linken für eine Enthaltung nicht maßgeblich ist.

Grundsätzlich kann Reichinnek sich vorstellen, auch beim Thema Schuldenbremse mit Union und SPD zu stimmen. "Natürlich wollen wir die Schuldenbremse abschaffen. Das Problem ist: Die aktuelle Koalition will sie ja nur reformieren", so die Linke-Politikerin. "Aber wir sagen: Jeder Schritt in die Richtung ist der richtige Schritt. Und wir werden uns das genau anschauen, was die Kommission vorschlägt und dann entsprechend uns auch verhalten."

Union plant "Manöverkritik"

Die namentliche Abstimmung über das Rentenpaket wird mit Spannung erwartet. Mit einem Ergebnis ist am frühen Nachmittag zu rechnen. Klar ist: Der neuerliche Streit um das geschlossene Abstimmen von Schwarz-Rot nach der Kanzlerwahl und der Wahl neuer Bundesverfassungsrichter hat das Regierungsbündnis belastet.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger kündigte für den Nachgang der Entscheidung eine "Manöverkritik" an. Die Fraktion werde beraten, wie es bei künftigen Projekten der Koalition besser laufen könne, sagte Bilger dem Portal web.de. "Wir werden Prozesse verbessern, um aufkommende Probleme frühzeitiger zu erkennen - wie zum Beispiel bei der Weiterbearbeitung von Kabinettsbeschlüssen im parlamentarischen Verfahren."

Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger machte die Unionsfraktion als eigentliches Problem für die "Stabilität der Merz-Koalition" aus. "Die Bundesregierung insgesamt ist in schwerem Fahrwasser, aber das liegt aktuell ja wirklich nicht an der SPD", sagte die SPD-Politikerin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Die Union zeigt, wie hinderlich es sein kann, wenn man seinen Laden nicht zusammenhält", wird Rehlinger zitiert. Sie gehe aber davon aus, dass die Rentenreform heute beschlossen wird, sagte die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende.

Grüne bleiben bei "Nein"

Die Grünen kritisieren die Haltung der Linken. Die Linke entpuppe sich als "Ersatzrad" für Merz, obwohl sie doch das "Bollwerk" gegen ihn sein sollte, sagte Co-Parteichefin Franziska Brantner im ZDF. Das Rentenpaket bringe keine strukturellen Reformen für die Rente, die Grünen würden mit Nein stimmen, kündigte Brantner an.

Nach der erwarteten Abstimmung über das Rentenpaket will Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas noch im Dezember eine Rentenkommission einsetzen, die bis Sommer grundsätzliche Vorschläge zur Alterssicherung machen soll. Die Arbeitsministerin versicherte bei "Maybrit Illner", sie nehme die Rentenkommission sehr, sehr ernst. "Wir brauchen auch wirklich Reformen", machte sie deutlich.

Ebenjenen Reformeifer sprechen die Kritiker des Rentenpakets in der Union dem kleinen Koalitionspartner SPD ab. Merz hat seiner Fraktion versprochen, dass die Ergebnisse der Rentenkommission noch im zweiten Halbjahr 2026 in konkrete Reformvorhaben münden.

Quelle: ntv.de, shu/cwi/AFP/dpa

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