Wahl in Frankreich Rekordbeteiligung
22.04.2007, 08:56 UhrNach einem hoch emotionalen Präsidentenwahlkampf sind die Franzosen am Sonntag in Scharen zu den Urnen geströmt. Vielerorts bildeten sich lange Warteschlangen vor den Wahlbüros. Die Entscheidung über die Nachfolge von Jacques Chirac, der nach zwölf Jahren Amtszeit nicht wieder antrat, erschien vielen Franzosen wie eine Schicksalswahl über die Zukunft der Republik.
Bei sonnig-warmem Frühlingswetter hatten bis 17.00 Uhr rund 73,87 Prozent der 44,5 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das waren bereits mehr als 2002 zur Schließung der Wahllokale um 20.00 Uhr (71,6 Prozent). Das teilte das Innenministerium in Paris mit. Die Wahlforscher gingen von einer Rekordbeteiligung von 87 Prozent für den ersten Wahlgang aus.
Alle zwölf Kandidaten warben mit einem Bruch mit der bisherigen Regierungspolitik. Die besten Chancen wurden Nicolas Sarkozy und Sgolne Royal eingeräumt. Die Demoskopen sagen für den 6. Mai bereits ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Neogaullisten und der Sozialistin voraus. Doch auch dem Zentrumspolitiker Franois Bayrou und dem Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen wurde zugetraut, sich für die Stichwahl zu qualifizieren.
Der Ausgang des ersten Wahlgangs galt als unsicher, weil sich erheblich mehr Jungwähler sowie Bürger aus Einwanderungsvierteln in die Wahllisten eintrugen als üblich. Auch Umfrageergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen, da zuletzt noch etwa ein Drittel der Wähler unentschieden war. Daher wurde auch eine faustdicke Überraschung wie bei den Präsidentenwahlen vor fünf Jahren nicht ausgeschlossen: Le Pen war damals entgegen aller Vorhersagen in die Stichwahl eingezogen, dort aber Chirac unterlegen.
Erstmals durften die meisten Wähler der Überseegebiete schon Samstag wählen. Außerdem war die Mobilisierung größer als 2002, als ein Rekordanteil von 28,4 Prozent den Urnen fern geblieben war. So gaben in den Alpen der Haute-Provence 19 Prozent mehr Wahlberechtigte ihre Stimme ab. Auch in den eher wahlmüden Einwanderervierteln war der Andrang diesmal groß. In Clichy sous Bois, wo 2005 die Jugendunruhen ihren Ausgang genommen hatten, schrieben sich 10,73 Prozent erstmals in die Wahllisten ein.
Offizielle Hochrechnungen dürfen erst nach Schließung der letzten der 64.000 Wahllokale um 20.00 Uhr veröffentlicht werden. Das vorläufige amtliche Endergebnis wurde für Montagmorgen erwartet. Größere Zwischenfälle gab es nicht. Nur auf Korsika zündeten korsische Nationalisten in der Nacht mehrere Sprengsätze. Dabei wurde ein Passant verletzt. In Marseille wurden die Türen von Wahlbüros zugeklebt.
Ärger mit Wahlmaschinen
Erheblichen Ärger gab es allerdings beim ersten großflächigen Einsatz elektronischer Wahlmaschinen bei einer Präsidentenwahl in Frankreich. Eineinhalb Millionen Franzosen in 82 Gemeinden stimmten diesmal per Automat ab. Weil die Bedienung vielen nicht leicht fiel, kam es in den Pariser Vororten Issy-les-Moulineaux und Courbevoie zu Wartezeiten von teilweise mehr als einer Stunde. Forscher erklärten die Wahlmaschinen nach Tests zur "Quelle der Diskriminierung". Vier von sieben Wählern über 65 Jahre kämen mit den Tastbildschirmen nicht klar und drei von vier Sehbehinderten schafften es nicht, ihre Stimme abzugeben. "Wir schätzen, dass mit diesen Maschinen 25 Prozent der Wähler Gefahr laufen, sich beim Kandidaten zu täuschen, ihre Stimme nicht abgeben zu können oder aufzugeben", erklärten die Forscher.
Themenarmer Wahlkampf
Im themenarmen Wahlkampf 2007 haben sowohl Sarkozy als auch Royal ihr persönliches Profil in den Vordergrund gestellt, um sich den Franzosen als geeignetes Staatsoberhaupt zu präsentieren. Dabei brennen den Franzosen derzeit zahlreiche Probleme auf den Nägeln. Der schleichende Niedergang der französischen Wirtschaft in Zeiten der Globalisierung führt zunehmend zu Arbeitsplatzabbau und sozialen Spannungen.
Die in den Medien mit einem stets makellosen Auftritt brillierende Royal will trotz der wirtschaftlichen Malaise und knapper Staatskassen den Sozialstaat französischer Prägung bewahren. Die 53-Jährige plädiert für mehr soziale Gerechtigkeit. Sie versprach im Wahlkampf, als erste Präsidentin in der Geschichte Frankreichs ein "faireres und stärkeres" Land zu gestalten und die Franzosen zusammenzuführen. Bei der Stimmabgabe am Sonntag sprach sie von einem "sehr wichtigen Tag" für Frankreich.
Der ein Jahr jüngere Konservative Sarkozy, der selbst Sohn eines ungarischen Einwanderers ist, hat sich hingegen insbesondere als Innenminister mit einer harten Linie gegen Kriminalität und illegale Immigration den Ruf eines Scharfmachers erworben.
In den Umfragen war zwischenzeitlich der liberale Bayrou Royal dicht auf den Fersen, verlor zuletzt aber an Boden gegenüber Le Pen. Bayrou brachte als "dritter Mann" frischen Wind in den recht faden Wahlkampf. Mit unkonventionellen Ideen will er das traditionelle Links-rechts-Schema der französischen Politik aufbrechen und das Feld für eine große Koalition nach deutschem Vorbild bereiten.
Le Pen hatte nach einer für seine Verhältnisse moderaten Kampagne zuletzt verstärkt den verbalen Schlagabtausch mit Sarkozy gesucht. Dabei zog er gegen den konservativen Rivalen wegen dessen Einwanderungshintergrund vom Leder und spekulierte zuletzt öffentlich über eine Ehekrise Sarkozys. Demonstrativ zeigte sich Sarkozys Frau Cecilia am Sonntag bei der Stimmabgabe lächelnd an der Seite ihres Mannes.
Quelle: ntv.de