Lebenslang zahlen Rentensteuer wird Normalfall
04.08.2009, 13:51 UhrDer Sozialverband VdK, Steuerzahlerbund und Steuergewerkschaft halten der Bundesregierung vor, den Eindruck zu erwecken, dass die Rentensteuer nur die Besserverdienenden unter den Senioren trifft. Dabei werde die Besteuerung "immer mehr zum Problem auch für den Durchschnittsrentner".
Rentner (links) halten sich heutzutage oft topfit und wollen ihre Rente genießen. Möglichst lange.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In der Diskussion um die geplanten Kontrollen von Finanzämtern bei Rentnern ist die Informationspolitik der Bundesregierung in die Kritik geraten. "Die Rentner sind verunsichert. Sie wissen nicht, ob sie eine Steuererklärung abgeben sollen oder nicht", sagte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, der "Berliner Zeitung". Anita Kaeding vom Bund der Steuerzahler (BdST) hielt der Bundesregierung vor, sie hätte der Unsicherheit entgegenwirken müssen, "gerade bei denjenigen, die zuvor keine Erklärung mehr machen mussten und die von der Gesetzesänderung 2005 betroffen sind".
Nicht nur "reiche" Rentner
Die "Bild"-Zeitung berichtete unterdessen, dass von den Kontrollen keineswegs nur "reiche" Rentner betroffen seien. Unter Berufung auf neue BdST-Berechnungen berichtete das Blatt, dass die Schwelle, ab der eine Rente steuerpflichtig wird, bei einem alleinstehenden Neurentner seit 2005 von 1441 auf 1289 Euro gesunken sei. Im kommenden Jahr liege sie sogar nur noch bei 1276 Euro. Hintergrund ist die Neuregelung der Rentenbesteuerung seit 2005: Wer bis einschließlich 2005 in den Ruhestand ging, musste nur 50 Prozent des Altersgeldes versteuern, Neurentner des Jahres 2010 aber schon 60 Prozent. Dadurch geraten immer mehr Rentner über den Steuergrundfreibetrag.
"Die Rentensteuer wird immer mehr zum Normalfall für Senioren", sagte Steuerzahlerbund-Geschäftsführer Reiner Holznagel der "Bild"-Zeitung. "Steuerzahler ist man inzwischen ein Leben lang - auch im Seniorenalter." Es werde deshalb höchste Zeit, dass die Bundesregierung auch im Wahlkampf die Senioren umfassend über ihre Steuerpflichten informiere. Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, forderte die Bundesregierung auf, sie solle "nicht länger den Eindruck erwecken, als wenn die Rentensteuer nur die Besserverdiener unter den Senioren trifft". Mascher sagte, die Besteuerung werde "immer mehr zum Problem auch für den Durchschnittsrentner".
Nachzahlungen für bis zu zwei Millionen Rentner
Bis zu zwei Millionen Rentner müssen nach Expertenschätzung künftig mit Steuernachzahlungen rechnen. "Wir werden maximal zwei Millionen neue Steuerfälle aufnehmen müssen. Drei Millionen haben wir heute schon in der Besteuerung, weil sie Nebeneinkünfte oder Ähnliches haben", sagte Ondracek in Berlin.
Für die zurückliegenden Fälle seit dem Beginn der Rentenbesteuerung 2005 bis zum Jahr 2007 sei die Zahl der Betroffenen allerdings unklar. Wegen eines geplanten Filters der Steuerfälle gebe es praktisch eine Bagatellgrenze, die er auf 200 Euro schätze.
Keine Jagd auf Rentner
Ondracek sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Diese Kontrollen können wir mit dem geringen Personal gar nicht leisten." Deshalb hätten nur die wenigsten der säumigen Ruheständler Kontrollen zu befürchten.
"Wir werden sicher nicht 200 oder 300 Euro Steuern nachlaufen, die ein Rentner hätten zahlen müssen", sagte Ondracek. In diesen Fällen stünden Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis. Im Schnitt koste das Bearbeiten einer Steuererklärung dem Fiskus 200 bis 300 Euro. Wenn dann als Lohn für die Mühe gerade einmal einige wenige Euro in die Staatskasse gespült würden, entpuppe sich die Regelung als kaum lukrativ. "Die normalen Rentner sind nicht im Visier der Steuerfahndung. Sie genießen nicht einmal oberste Priorität", sagte Ondracek.
Keine Sonderregelung
Die Bundesregierung will für Rentner bei fälligen Steuernachzahlungen keine Sonderregelungen erlassen. Es gebe keine Anweisungen über Erlasse oder Stundungen mit gesonderten Regelungen für Rentner, hatte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums am Montag in Berlin gesagt.
Die Finanzämter hatten seit Beginn der Rentenbesteuerung 2005 weitgehend auf Kontrollen verzichtet. Ab Oktober müssen Rentner nun mit Nachprüfungen der Finanzämter rechnen.
Quelle: ntv.de, hdr/AFP/dpa