Politik

Standpauke von Köhler Reumütige Banker

Nachdem Bundespräsident Horst Köhler mit Deutschlands Bankern scharf ins Gericht gegangen ist, haben führende Banker eigene Versäumnisse eingeräumt. Commerzbank-Chef Martin Blessing gab Fehler der Branche zu, warnte aber zugleich vor Überregulierung. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) und Vorsitzende des Commerzbank-Aufsichtsrates, Klaus-Peter Müller, sagte, er halte Köhlers Rede für "gut und richtig": "Es gibt Dinge, die wir objektiv falsch gemacht haben." Die Systeme zum Management von Risiken hätten nicht wie erwartet funktioniert, die Branche habe "zu komplizierte Produkte in den Markt gegeben". Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nannte es die "größte Pflicht" der Finanzindustrie, alles zu tun, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und künftig zu vermeiden: "Die aktuelle Lage ist ernst."

Köhler hatte in einer Grundsatzrede vor führenden Managern in Frankfurt als Folge der Finanzkrise eine "grundlegende Erneuerung" der Branche gefordert. Zu viele in der Finanzbranche hätten Warnungen in den Wind geschlagen und sich an Renditen berauscht. "Besinnen Sie sich wieder auf die Tugenden des soliden Bankiers", forderte Köhler. Geboten seien Demut, Anstand und Bescheidenheit.

Eigene Schuld eingestehen

Banker sollten die Schuld für die Krise nicht bei anderen suchen, mahnte das Staatsoberhaupt: Bei den Amerikanern, die vielfach auf Pump gelebt haben, bei der US-Notenbank Fed, die mit niedrigen Zinsen Geld künstlich billig hielt, bei den Rating-Agenturen, die Ramsch-Kredite mit Höchstnoten edelten. "Lassen Sie auch die Phase hinter sich, in der Sie mit dem Finger auf andere Leute zeigen." Bereits im Mai hatte Köhler die Finanzmärkte als "Monster" gegeißelt.

Staatliche Hilfe nutzen

"Besinnen Sie sich auch wieder auf Ihre Funktion als Dienstleister für Ihre Firmenkunden. Lassen Sie vor allem unsere Mittelständler nicht im Stich", mahnte Köhler die anwesenden Banker. Die seit Sommer 2007 tobende Finanzkrise greift zunehmend auf andere Branchen über: Etwa Autohersteller und Chemiekonzerne spüren ihre Folgen. Der Staat habe mit dem eilends geschnürten 500-Milliarden-Euro-Rettungspaket für die Banken Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Köhler. "Ich erwarte, dass das Bankgewerbe dieses mutige Angebot der Politik jetzt seinerseits mit Mut und Bewusstsein für die Gesamtsituation begleitet und nutzt."

Banker räumen Fehler ein

Commerzbank-Chef Blessing räumte ein: "Banken und Finanzmarktteilnehmer überall haben Fehler gemacht." Blessing, der die zweitgrößte deutsche Bank seit Mitte Mai führt, sagte: "Wir müssen uns die bittere Realität vor Augen halten: Wir alle haben weltweit zu einem zu hohen Kreditniveau beigetragen und es toleriert." Eine Vertrauenskrise dieses Ausmaßes könne nur mit Hilfe des Staates gelöst werden.

Es brauche nun adäquate Gesetze und Regulierungen für die Branche, sagte der Commerzbank-Chef und verwies auf die Vereinbarung der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20), eine neue globale Finanzarchitektur zu entwerfen: "Wir begrüßen den weltweiten Regulierungsrahmen, der gerade ausgearbeitet wird." Er warnte aber ausdrücklich vor Überregulierung: "Das zugrundeliegende Prinzip der freien Märkte sollte nicht vergessen werden."

"Bretton Woods II"

Nach Köhlers Ansicht ist die Krise nur durch einen internationalen Kraftakt zu lösen. "Ich bleibe dabei: Die Dimension der Krise heute verlangt ein Bretton Woods II, eine Versammlung der Besten, die mit Sachverstand, Moral und politischem Willen systematisch an die Arbeit gehen." In dem amerikanischen Ort Bretton Woods war 1944 unter Führung der USA die Grundlage für die Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt worden. Damals hatten die Staaten auch die Gründung des Internationalen Währungsfonds (IWF) beschlossen.

"Ich plädiere für die Schaffung einer internationalen Aufsichtsorganisation, und ich halte es für richtig, dem Internationalen Währungsfonds die Wächterfunktion über die Stabilität des globalen Finanzsystems zu übertragen", sagte Köhler. Damit er diese Aufgabe erfüllen könne, solle der IWF mehr Unabhängigkeit bekommen. Köhler war selbst von 2000 bis 2004 Direktor des IWF.

Neue "Airbags" für das System

Auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, sprach sich für ein größeres Gewicht des IWF aus: Die aktuelle Krise unterstreiche, dass der IWF mehr Zugkraft auch auf bedeutende Volkswirtschaften bekommen müsse. Insgesamt brauche das Finanzsystem neue "Airbags", bereits vorhandene Sicherungsmechanismus müssten zudem wieder verstärkt werden. Trichet schloss erneut nicht aus, dass die Notenbank die Zinsen im Euro-Raum weiter senken wird. Bundesbankpräsident Axel Weber dämpfte die Hoffnungen, dass es gelingen könnte, ein zuverlässiges Frühwarnsystem für mögliche künftige Krisen zu entwickeln.

Quelle: ntv.de

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