Politik

Vatileaks-Maulwurf vor Gericht Richter will schnellen Prozess

 Paolo Gabriele muss sich vor dem Gericht des Vatikan wegen Diebstahls verantworten.

Paolo Gabriele muss sich vor dem Gericht des Vatikan wegen Diebstahls verantworten.

(Foto: dpa)

Intrigen, Verrat, ein Maulwurf in den privaten Gemächern des Papstes: Die Enthüllungsaffäre "Vatileaks" hat den Vatikan schwer erschüttert. Jetzt steht der treulose Ex-Kammerdiener von Benedikt XVI. vor Gericht – es könnte ein kurzer Prozess werden.

Paolo Gabriele hält die Hände gefaltet. Im Gerichtssaal hinter den dicken Mauern des Vatikans hängt ihm gegenüber das Foto des Papstes. "Paoletto" war Benedikt XVI. so nah wie nur ganz wenige – und hat ihn schmählich verraten. Der Ex-Kammerdiener des Papstes muss sich in der Enthüllungsaffäre "Vatileaks" verantworten, die das Machtzentrum der katholischen Kirche schwer erschüttert hat.

Es habe angespannt, aber beherrscht gewirkt; in der Pause scherzte er mit seiner Anwältin, berichten die wenigen vom Vatikan zugelassenen Journalisten. Nur sie, vier oder fünf Zuschauer und nicht einmal Angehörige Gabrieles sind dabei, als die drei Richter in den schwarzen Roben unter Vorsitz von Präsident Giuseppe Dalla Torre den holzvertäfelten, mit Stuck verzierten Saal betreten. Es gibt nur 18 Plätze.

In grauem Anzug, weißem Hemd und grauer Seidenkrawatte stellt Gabriele sich dem Tribunal. Der streng gläubige Familienvater, der Benedikt beim Ankleiden half, sein Schlafzimmer bereitete und ihn auf Reisen begleitete, stahl aus den Gemächern geheime Dokumente. Über Monate hin landeten immer wieder Indiskretionen in den Medien, Informationen über Intrigen und Missstände sickerten durch die sonst so undurchdringlichen Mauern.

Keine Anklage wegen Geheimnisverrats

Der untreue Diener hat gleich nach seiner Festnahme im Mai gestanden, bereut und den Papst um Gnade gebeten – nun wird über einen kurzen Prozess spekuliert. Beim Hinausgehen nach der gut zweistündigen Verhandlung, die von einer gut einstündigen Verhandlungspause unterbrochen war, sagte Richter Dalla Torre, möglicherweise könnten vier Verhandlungstage reichen. Dann wäre ein Urteil Ende nächster Woche nicht ausgeschlossen.

Nicht zuletzt stehen wichtige Termine an: Am nächsten Sonntag beginnt die Bischofssynode zur Neuevangelisierung, der Papst will Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin erklären, und wenige Tage später startet er das "Jahr des Glaubens". Sicher ist im Moment aber nur: Am Dienstag geht der Prozess weiter. Dann soll Gabriele selbst gehört werden.

Hunderte vertraulicher Unterlagen soll der Kammerdiener mitgenommen, kopiert und weitergegeben haben – daran gemessen scheint der Anklagevorwurf schwerer Diebstahl geradezu geringfügig. Trotzdem wurden andere Vorwürfe wie Geheimnisverrat zunächst nicht weiter verfolgt.

"Ich glaube, dass es zum Nachdenken bringt"

Der Vatikan ist um Transparenz bemüht. Im August veröffentlichte er einen gut 30-seitigen Untersuchungsbericht. Der Papst berief eine Kardinalskommission, die aber unabhängig von dem Gericht arbeitet. Kirchliche und juristische Aufklärung bleiben streng getrennt. Bis heute ist nicht ganz klar, was Gabriele trieb. Es scheint, als habe der 46-Jährige geglaubt, seiner Kirche mit seinen Indiskretionen zu dienen. Die Papiere sind freilich für Laien eher schwer interpretierbar – der Skandal ist auch, dass sie überhaupt öffentlich wurden.

"Ich glaube nicht, dass es der Kirche schadet – ich glaube, dass es zum Nachdenken bringt", sagte er vor seiner Festnahme in einem anonym geführten Interview zu Dokumenten über die wiederholt in Verruf geratene vatikanische IOR-Bank. Er wolle die Wahrheit sagen und sei bereit, die Konsequenzen zu tragen, sagte Gabriele, der mit verdecktem Gesicht in dem konspirativ aufgemachten Interview mit Gianluigi Nuzzi sprach. Der Autor, der seine Quelle "Maria" taufte, hat viele Dokumente in dem Buch "Seine Heiligkeit" veröffentlicht.

Vatikan-Kenner gingen stets davon aus, dass Gabriele, dem ein psychiatrisches Gutachten eine eher einfache Intelligenz bescheinigte, nur Handlanger war. Vermutet werden interne Machtkämpfe. Unter den Namen, die mehrfach in den Dokumenten auftauchten, war der des umstrittenen Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone. Inwieweit der Prozess die Hintergründe von "Vatileaks" aufklären wird, bleibt offen.

Quelle: ntv.de, Sabine Dobel, dpa

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