Stichwort Robustes Mandat
17.12.2001, 16:22 UhrNachdem das Taliban-Regime in Afghanistan mit dem Fall von Tora-Bora entgültig gebrochen ist, laufen die Vorbereitungen zum Aufbau einer internationalen Blauhelmtruppe zum Schutz der afghanischen Übergangsregierung, die am 22. Dezember ihre Regierungsarbeit aufnehmen soll. Voraussetzung für die Beteiligung Deutscher Soldaten ist dabei ein sogenanntes "UN-Mandat".
Hierbei unterscheiden die Vereinten Nationen zwischen zweierlei Möglichkeiten: einem sogenannten "Friedenssichernden Mandat" ohne militärischen Einsatz und - als dessen Erweiterung - einem "Robustes Mandat". Letzteres soll den Soldaten erlauben, ihren Auftrag notfalls auch mit Waffengewalt zu erfüllen. In der Charta der Vereinten Nationen sind beide Möglichkeiten programmatisch festgeschrieben.
Friedenssicherndes Mandat:
In Artikel 1 der UN-Charta ist als Aufgabe festgeschrieben, den "Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen."
Dabei kann der Sicherheitsrat beschließen, welche Maßnahmen - unter Ausschluss von Waffengewalt - zu ergreifen sind, um seinen Beschlüssen Wirksamkeit zu verleihen. Sie können die vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphen- und Funkverbindungen sowie sonstiger Verkehrsmöglichkeiten und den Abbruch der diplomatischen Beziehungen einschließen. Einen militärischen Angriff - ausser im Falle der Selbstverteidigung - schließt ein "Friedenssicherndes Mandat" jedoch aus.
Robustes Mandat:
Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, dass die vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.
Konkret: das "Robuste Mandat" verfolgt im wesentlichen dieselben Ziele wie das "Friedenssichernde Mandat". Lassen sich die Maßnahmen jedoch nicht friedlich durchsetzen, so sind die Blauhelm-Truppen in der Lage, ihre Ziele auch mit militärischen Mitteln zu realisieren. Auch im Falle eines Angriffs auf die Blauhelm-Truppen, beispielsweise durch radikal-islamistische Splittergruppen in Afghanistan, verfügen die deutschen Soldaten mit dem "Robusten Mandat" über die Möglichkeit eines Rückschlags mit militärischen Mitteln zur Sicherung ihres Auftrages.
Mehrheit für "Robustes Mandat"
Im Zuge der Diskussion um den Einsatz Deutscher Truppen in Afghanistan spricht sich die Mehrheit der Abgeordneten für ein "Robustes Mandat" aus. Nach Angaben des Generalinspekteurs der deutschen Schutztruppen, Harald Kujat, soll es bei dem geplanten Militäreinsatz in erster Linie "um etwaige Auseinandersetzungen mit bewaffneten Kräften gehen, die die Bundeswehr in Kabul oder der Umgebung der Stadt bedrohen oder angreifen könnten".
Auch Bundeskanzler Schröder (SPD) hatte zur Sicherheit der deutschen Truppen ein "robustes" Mandat gefordert, das es den Soldaten erlaubt, nicht nur ein Höchstmaß an Sicherheit, sondern auch an Eigensicherheit herzustellen. Auch der Verteidigungsminister Rudolf Scharping sieht die Eigensicherung vor allem durch den eventuellen Gebrauch von militärischen Waffen gesichert: "Ich werde keinem Truppeneinsatz zustimmen, wenn die Soldaten nicht ein robustes UNO-Mandat im Rücken haben, das es ihnen erlaubt, ihre Ziele auch militärisch durchzusetzen".
Das "Robuste Mandat" soll aus diesem Grund zunächst auf die Stadt Kabul und Umgebung, also Flugplatz begrenzt sein. Die Straßen zu den Landesgrenzen dagegen müssten nicht notwendig einbezogen werden, so Verteidigungsminister Scharping. Darüberhinaus plädiert der Minister für eine klare Trennung der UN-Mission von militärischen Einsätzen gegen noch versprengte Taliban-Einheiten.
Nach Vorstellungen der Bundesregierung soll das "robuste Mandat " zunächst auf eine Dauer von sechs Monaten befristet sein, und vor deren Ablauf auf zwei Jahre verlängert werden können - so lange, wie die politische Übergangsphase in Afghanistan bestehen bleibt. Das Mandat der Truppe wünscht man sich in Berlin "vor allem klar " und "ausreichend robust ".
In der Bundesregierung hieß es, Deutschland könne sich mit etwa 1.500 Soldaten an der Einheit beteiligen, die die neue afghanische Regierung schützen soll. Die Truppe soll mit Amtsantritt der neuen afghanischen Regierung am 22. Dezember ihre Arbeit aufnehmen und für einen möglichst ruhigen Übergang nach dem Sturz der radikal-islamistischen Taliban sorgen. Das Kommando über die insgesamt vermutlich 5.000 Mann starke Schutztruppe soll laut US-Außenminister Colin Powell Großbritannien übernehmen.
In Deutschland gilt eine Mehrheit der rot-grünen Koalition für den Afghanistan-Einsatz als sicher: "Wenn das UN-Mandat vorliegt, werden wir nicht Nein sagen können", so Außenminister Joschka Fischer (Grüne). Am Rande der Grünen-Fraktionssitzung in Berlin hieß es, Abgeordnete, die sich im November noch gegen die Bereitstellung deutscher Soldaten im Anti-Terror-Kampf stellten, wollten dem Einsatz unter UN-Mandat zustimmen.
Militär-Einsatz unter Vorbehalt
Die Entscheidung für ein "Robustes UN-Mandat" wird für Beginn dieser Woche in New York erwartet. Danach wird sich die Bundesregierung in einer eigenen Sitzung dem Thema "Bundeswehr-Einsatz " widmen. Zu erwarten ist, dass die Entscheidung zum Militäreinsatz trotz breiter Zustimmung auch mit Bedingungen einzelner Fraktionen verbunden ist.
Der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber kündigte bereits an, dem Militäreinsatz nicht "blanko" zustimmen zu wollen und auch die Abgeordneten der Grünen fordern zunächst die Beendigung der aktiven Kampfhandlungen in Afghanistan, bevor sie dem Einsatz deutscher Soldaten zustimmen.Verteidigungsminister Scharping knüpft die Zustimmung darüberhinaus an eine deutliche Aufstockung des Verteidungshaushaltes. In Regierungskreisen in Berlin hieß es, der Einsatz von bis zu 1000 Soldaten für ein Jahr in Afghanistan werde 500 bis 700 Millionen Mark kosten.
Quelle: ntv.de