Politik

Untersuchungsausschuss zu Gorleben Röttgen prüft 60 Jahre Laufzeit

Die Unionfraktion arbeitet an ihrem Energiekonzept der Zukunft. Dafür lässt Umweltminister Röttgen auch Szenarien durchrechnen, die von einer Laufzeit für deutsche Atomkraftwerke von 60 Jahren ausgehen. Derweil nimmt der Untersuchungsausschuss seine Arbeit auf, der die Auswahl des Salzstocks Gorleben als mögliches Endlager prüfen soll.

Wie lange die Atomkraftwerke am Netz bleiben werden, lässt das Umweltministerium gerade durchrechnen.

Wie lange die Atomkraftwerke am Netz bleiben werden, lässt das Umweltministerium gerade durchrechnen.

(Foto: dpa)

Die Prüfaufträge der schwarz-gelben Bundesregierung, die Laufzeiten einzelner Atomkraftwerke im Extremfall auf bis zu 60 Jahre zu verdoppeln, sorgen für Aufregung. Opposition und Umweltschützer sprachen angesichts möglicher Laufzeiten bis zum Jahr 2050 von "Lobbyismus" für die Energie-Konzerne. Sie warnten vor enormen Sicherheitsrisiken, wenn Laufzeiten um 28 Jahre gegenüber der aktuellen Rechtslage verlängert würden. Die Bundesregierung bestritt jede Vorentscheidung für eine Verlängerung der Regellaufzeit von derzeit 32 um weitere 28 Jahre. Es handele sich nur um Rechen-Modelle zwischen 4 und 28 Jahren Verlängerung, um den Strombedarf und die künftige Produktion für eine sichere Energie-Versorgung ermitteln zu können, so Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans.

Während die Koalition damit langfristig mehr Atommüll produziert, soll nach zehnjähriger Pause jetzt auch die Erforschung des niedersächsischen Salzstocks Gorleben als Endlager für die stark strahlenden Brennstäbe wieder aufgenommen werden. Dies bekräftigten die Abgeordneten von CDU/CSU und FDP im neuen Untersuchungsausschuss, der sich konstituierte. Die Ausschuss-Arbeit dort soll Mitte April beginnen. Die Opposition will geklärt wissen, ob bei der Vorauswahl von Gorleben Anfang der 80er Jahre die damalige Regierung Helmut Kohl getrickst hat, um Warnungen von Forschern gegen den Standort in den Wind zu schlagen. Die Koalition bestreitet das.

Thema bei NRW-Wahl

Der Salzstock Gorleben ist als mögliches Endlager umstritten. Nun widmet sich ein Untersuchungsausschuss den Gründen für die Auswahl.

Der Salzstock Gorleben ist als mögliches Endlager umstritten. Nun widmet sich ein Untersuchungsausschuss den Gründen für die Auswahl.

(Foto: dpa)

Bundesumweltminister Norbert Röttgen bekräftigte im Südwestrundfunk die Absicht, die Prüfung Gorlebens offen zu gestalten. Sollte zehn Jahre später festgestellt werden, dass der Standort nicht geeignet sei, müsse man andere Gesteinsformationen unter die Lupe nehmen. Röttgen war deshalb bereits von den beiden unionsgeführten Regierungen der infragekommenden Standortländer Baden-Württemberg und Bayern heftig angegriffen worden.

Das Thema Atomkraft dürfte nach Expertenaussage auch zunehmend auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ausstrahlen. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers pochte im "Handelsblatt" zwar auf eine Laufzeitverlängerung, kündigte aber ein "neues, dezentrales Energiesystem" mit dem Ausbau von Ökoenergien an. "Kernenergie hat in Deutschland keine hohe Akzeptanz. Deshalb hat der Bundesumweltminister Recht, wenn er sagt, dass sich die Entscheidung über die Laufzeitverlängerung aus der Frage der Sicherheit und der Frage des künftigen Energie-Mixes ableiten muss und nicht aus einer Gegenleistung", sagte Rüttgers, in dessen Land kein einziger Atommeiler steht.

Röttgens Rechnereien

Die Führung der Unionsfraktion hatte der Bundesregierung vor Tagen aufgegeben, in die Modellrechnungen auch die Laufzeitverlängerung um 28 Jahre einzubeziehen. Dies soll jetzt verglichen werden mit jeweils 4, 12 und 20 Jahren. Das diene der Vorbereitung des Energiekonzepts, das im Juni in einem Zwischenbericht im Kabinett beraten und im Oktober dort entschieden werden soll, betonte Steegmans. Es gebe aber noch keine Präferenz für ein Modell. Röttgen war kürzlich mit dem Vorschlag, die Kernkraftwerke nur acht Jahre bis 2030 länger laufen zu lassen, auf erheblichen Widerstand in den eigenen Reihen gestoßen. Nach dpa-Informationen aus der Union lenkte er inzwischen ein, auch wenn laut Umweltministerium selbst die Variante eines Verzichts längerer Laufzeiten - mindestens theoretisch - immer noch offen ist.

Ein Sprecher des Röttgen-Ressorts sagte: "Die Frage der Sicherheit ist ja das Ausschlaggebende." Das müsse einzeln geprüft werden. "Es ist danach völlig offen, ob es eine Verlängerung gibt, ob einzelne AKW länger laufen und andere kürzer." Der Naturschutzbund (Nabu) erklärte dazu: "Bevor der erste Wissenschaftler seinen Rechner anstellt, hat die Koalition bereits festgelegt, das die Atomreaktoren in Deutschland länger laufen sollen als gesetzlich vereinbart."

Grüne spotten über Pläne

Jürgen Trittin: "Schon heute blockiert die Atomkraft das Netz, so dass Windkraftanlagen abgeschaltet werden müssen."

Jürgen Trittin: "Schon heute blockiert die Atomkraft das Netz, so dass Windkraftanlagen abgeschaltet werden müssen."

"Ich finde, da haben sich CDU, CSU und FDP eine richtig ambitionierte Aufgabe gestellt. Man möchte Anlagen, die jede für sich in 30 Jahren schon über 400 Störfälle produziert haben – das gilt für Biblis und Neckar-Westheim – nun noch einmal 30 Jahre laufen lassen. Und dafür möchte man dann eine Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat bekommen. Das ist ein ehrgeiziger Plan", sagte Trittin in dem Gespräch mit n-tv.

Der Umweltminister der Schröder-Regierung kündigte Widerstand an - nicht nur von Ökologen. Trittin argumentiert, dass die hohe Zahl von Atomkraftwerken bereits heute das Netz blockiere. "Wir haben heute schon die Situation, dass der Ausbau erneuerbarer Energien, für die ja laut CDU die Atomtechnologie eine Brückentechnologie sein soll, gebremst wird, weil wir zu viel Atomstrom im Netz haben. Deswegen müssen wir Windkraftanlagen abschalten." Hier sei der Weg in den energiepolitischen Wahnsinn beschlossen worden. Trittin bezweifelt, dass das Vorhaben eine Mehrheit im Bundestag und Bundesrat finden werde.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte vor einem Weiterbetrieb der "ältesten Schrottmeiler" um 28 Jahre. "Das ist brutaler Lobbyismus. Es geht allein darum, dass ein Betreiber mit einem alten Atomkraftwerk eine Million Euro am Tag verdient", sagte der frühere Umweltminister im Deutschlandradio Kultur. Dabei verwies er auf die immer wieder auftretenden Probleme in Reaktoren wie Krümmel, Biblis und Brunsbüttel sowie die offene Endlagerfrage.

Brunsmüttel meldet Störung

Im abgeschalteten Atomkraftwerk Brunsbüttel hat es am Donnerstag kurz an einem Transformator gebrannt, der die Anlage mit Strom aus dem öffentlichen Netz versorgt. Dies berichteten Atomaufsicht und Betreiber. Vattenfall sprach von leichter Flammenentwicklung an einem mit Öl gefüllten Überspannungsableiter. Dieser schützt den Transformator vor Überspannungen aus dem öffentlichen Netz. Brunsbüttel ist seit Mitte 2007 vom Netz.

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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