"Endgültige Entscheidung" in Moskau Russen verzichten auf Todesstrafe
19.11.2009, 16:24 Uhr
Historische Militärparade in Moskau.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
In Russland dürfen weiterhin keine Todesurteile verhängt oder vollstreckt werden. Abgeschafft ist die Todesstrafe damit aber noch nicht. Moskau will ein Zusatzprotokoll bislang nicht unterschreiben.
"Die Todesstrafe bleibt auch künftig ausgeschlossen", sagte der Präsident des Verfassungsgerichts, Waleri Sorkin, in St. Petersburg und nannte internationale Abkommen als Begründung. Der Europarat und russische Juristen begrüßten die Entscheidung.
Es handle sich um eine "endgültige Entscheidung", gegen die kein Einspruch zulässig sei, betonte Sorkin vor Journalisten. Der Ball sei nun im Lager der Duma. Das russische Parlament weigert sich seit Jahren, ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention zu ratifizieren, das die Todesstrafe abschafft.
Öffentlichkeit braucht noch Zeit
Ein Vertreter von Staatschef Dmitri Medwedew sagte nach der Verhandlung, der Präsident habe "alle notwendigen Maßnahmen" ergriffen, könne die Duma aber nicht zur Ratifizierung zwingen. Die russische Öffentlichkeit brauche Zeit, um zu akzeptieren, dass die "Abschaffung der Todesstrafe eine Notwendigkeit" sei, fügte er hinzu. Einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Levada vom Juni zufolge sind 62 Prozent der Russen für die Todesstrafe.
Zwar hatte sich Moskau bei seinem Beitritt zum Europarat Anfang 1996 verpflichtet, die Todesstrafe aus seinem Strafgesetzbuch zu streichen. Die Regierung unterzeichnete auch das fragliche Zusatzprotokoll. Die Duma weigert sich jedoch trotz aller Appelle des Europarats beharrlich, den Text zu ratifizieren.
Protokoll nicht ratifiziert
In der Duma hat die Regierungspartei Einiges Russland eine breite Mehrheit. Ihr Vorsitzender, der ehemalige Präsident und heutige Regierungschef Wladimir Putin, hatte sich 2007 zwar für ein Ende der Todesstrafe ausgesprochen und diese als "kontraproduktiv" bezeichnet. Bisher forderte Putin die Duma aber nicht auf, das Zusatzprotokoll zu ratifizieren. Russland ist unter den 47 Europaratsländern das einzige, in dem die Todesstrafe noch nicht offiziell abgeschafft ist.
Rechtsexperten in Russland und die einflussreiche orthodoxe Kirche begrüßten die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Die Wiedereinführung der Todesstrafe wäre "verrückt gewesen", sagte ein Sprecher der Kirche der Nachrichtenagentur Interfax. Auch der Europarat reagierte erfreut. "Ich begrüße die Entscheidung auf Wärmste", sagte der Generalsekretär der Länderorganisation, Thorbjoern Jagland. Die amtierende Vorsitzende des Ministerkomitees, die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey, forderte Moskau auf, das Moratorium nun in eine formelle Abschaffung der Todesstrafe umzuwandeln.
Quelle: ntv.de, AFP